Finnisches Inferno: Kriminalroman (Arto Ratamo ermittelt) (German Edition)
Kollegin Liisa vorbeischauen.
Das Pflaster war so glatt, dass Ratamo auf dem Laivurinmäki um ein Haar an der Rampe zur unterirdischen Garage der SUPO vorbeigerutscht wäre. Der Plausch mit Liisa hatte doch länger gedauert, so dass er fürchtete, zu spät zu kommen. Die Metalltüren der Garage öffneten sich, als der Sender am Boden des Volkswagens über den Detektor unter dem Asphalt glitt. Die Garage durften nur die Offiziere benutzen, und zu denen zählten auch die Mitarbeiter, die sich auf die Prüfung für den gehobenen Polizeidienst vorbereiteten. Ein grauhaariger Polizist im Wärterhäuschen grüßte ihn feierlich. Ratamo ärgerte es, wie hierarchisch die Polizei als Institution war. Er empfand es als unangenehm, wenn ein älterer Mann vor ihm katzbuckelte.
Ratamo steckte den Schlüssel in das Schloss neben dem Fahrstuhlknopf für die vierte oberirdische Etage und drehte ihn. Was war passiert? Und welche Verbindung bestand zwischen Himoaalto und dem Fall? Er verspürte den brennenden Wunsch, an die Arbeit zu gehen, und das genoss er. Obwohl er sich gleichzeitig auch unsicher fühlte. Worin würde seine Aufgabe bestehen? Für anspruchsvolle Aufträge bei der finnischen Sicherheitspolizei würde die Ausbildung an der Polizeischule sicher nicht genügen.
Die Tür des Beratungszimmers A 310 war zu. Ratamo warf einen Blick auf seine Uhr. Fünf nach drei – er kam wieder zuspät. Manchmal hatte er das Gefühl, als würde man ihn vor einem wichtigen Treffen stets für eine Weile irgendwohin entführen, wo die Zeit doppelt schnell verging.
»Wo zum Teufel hast du dich rumgetrieben?«, schnauzte ihn Ketonen an.
»Kann sein, dass der frühe Vogel den Wurm schnappt, aber den Käse bekommt die zweite Maus«, entgegnete Ratamo ganz locker, verstummte aber, als er Riitta Kuurma erblickte. Es überraschte ihn, wie heftig seine Reaktion war. Mitten im schrecklichen Geschehen des vorletzten Sommers hatten sie für eine Nacht eine leidenschaftliche Beziehung gehabt. Er hatte sich erst in die Frau verliebt und sie dann verflucht und zur Hölle gewünscht. Sie hatte ihn belogen wie Pinocchio.
»Setz dich«, befahl Ketonen in schroffem Ton. Er kannte den Grund für Ratamos Reaktion. Als Riitta Kuurma damals Ratamo angeschaut hatte, war in ihren Augen derselbe Glanz gewesen. Sie hatte sogar gegen Befehle verstoßen, um den Mann zu schützen. Diese beiden verband mehr als nur die Arbeit.
Ratamo schoss das Blut in den Kopf, er konnte es nicht leiden, wenn man ihn herumkommandierte. Doch Ketonen war der erste kompetente Vorgesetzte in seinem Leben. Der Mann war eindeutig der Chef der Polizeiherde – das Alphamännchen. Ketonen besaß echte Autorität und eine menschliche Einstellung. Vielleicht würde er sich an ihn gewöhnen, dachte Ratamo, beruhigte sich und warf verstohlen einen Blick auf Riitta. Das dunkle Haar fiel ihr nachlässig auf die Schultern. Sie sah genauso echt und lebendig aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Ob Riitta wohl immer noch so gut duftete wie damals? Es war zwecklos, darüber nachzudenken. Dieser Frau würde er nie wieder vertrauen, beschloss Ratamo und fragte sich, warum sie mit den Fingern ständig ein Perlenband drehte.
Riitta Kuurma stand auf und fasste selbstsicher ihren Besuch bei DataNorth zusammen. Dann berichtete sie, dass sie auch mit den Chefs von Finn Security und SH-Secure gesprochen hatte. Deren Maßnahmen für die Datensicherheit seien ebenfalls extrem verschärft worden, für den Fall, dass der Datendieb versuchen sollte, erneut zuzuschlagen. Die Inferno-Verantwortlichen der beiden Firmen befänden sich heute auf Dienstreise und würden am nächsten Morgen verhört.
Dann las sie ganz ruhig eine kurze Zusammenfassung zu Finn Security und SH-Secure vor. Die beiden Datenschutzfirmen ähnelten einander sehr stark. Beide waren Anfang der neunziger Jahre aus den Tüfteleinen von Studenten des Instituts für Informationstechnologie der Technischen Hochschule in Espoo hervorgegangen und im Sog des IT-Booms Ende des vergangenen Jahrzehnts explosionsartig gewachsen. Ihre Hauptaktienbesitzer waren nach dem Börsengang Multimillionäre geworden. Finn Security und SH-Secure galten noch nicht als große Firmen, zählten aber zur Creme der finnischen IT-Branche. Die Gewinnerwartung für ihre Aktien war immer noch eine der höchsten der an der Helsinkier Börse notierten Unternehmen, obwohl im IT-Bereich zuletzt viele Probleme aufgetaucht waren.
Ketonen unterbrach Riitta Kuurma. »Ist es
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