Finnisches Quartett
marinierten Krabben schmeckten Ratamo. Als der Kellner die leeren Teller geholt hatte, umgab sie wieder Schweigen. Ratamo überlegte fieberhaft, was er sagen sollte, aber Riitta kam ihm zuvor. »Ich glaube, daß ich im Anschluß an den Sommerurlaub nach Finnland zurückkehre.«
Ratamo wußte nicht, ob er ihr gratulieren oder sie bedauern sollte, auf Riittas Gesicht konnte man nur ablesen, daß die Entscheidung für sie wichtig war.
»Warum?« fragte Ratamo.
Riitta sah verlegen aus und dachte über eine Antwort nach, als der Kellner rasch die Teller mit dem Hauptgericht vor sie hinstellte. Beide griffen sofort nach dem Besteck und machten sich über das Essen her, ohne sich groß zu zieren.
Die Oberfläche des Fischs war trocken und das Fleisch fest, ein wenig flockig und saftig. Ratamo aß zunächst den Salat weg, damit er nicht weiter störte, fand darunter zu seiner Freude noch mehr gebratene Kartoffeln und überlegte, ob er vorschlagen sollte, auf ihr Wohl anzustoßen.
»Häßliche Gläser«, stellte Riitta mit gedämpfter Stimme fest.
»Lieber einen teuren Wein aus einem billigen Glas trinken als umgekehrt.« Ratamo sah, daß Riitta ihren Wein schon kostete, und folgte ihrem Beispiel. Der Champs Martins enttäuschte ihn nicht.
Während des Essens und beim Kaffee drehte sich ihr Gespräch um alltägliche Dinge und die neue Organisationsstruktur der SUPO. Riitta erwähnte bei dem Gespräch mit keinem Wort, warum sie nach zwei Jahren Auslandsaufenthalt in die Heimat zurückkehren wollte, und Ratamo konnte auch zwischen den Zeilen keinen Hinweis finden.
»Mag ik afrekenen«,
Riitta bat um die Rechnung, bevor Ratamo reagieren konnte, und bekam sie zu ihrer Überraschung schon nach einer Minute. »Ich kann das bei Europol abrechnen«, sagte sie, legte die Scheine auf den silbernen Teller und steckte die Quittung in ihr Portemonnaie.
»Ich wohne hier übrigens ganz in der Nähe, willst du meine Bude mal sehen?« fragte Riitta und lächelte leicht.
Ratamo, der gerade seinen Gürtel lockerte, sagte schnell ja und ärgerte sich sofort über seinen allzu großen Eifer.
Die Taxifahrt von Scheveningen bis zu Riittas Wohnung am Belgisch Park dauerte nur ein paar Minuten, stellte Ratamo erleichtert fest. Im Auto herrschte eine gespannte Stille, die auch von ein paar ziemlich gezwungen wirkenden Spötteleien nicht aufgelockert wurde.
Am Harstenhoekweg bezahlte Riitta das Taxi und führte Ratamo in die erste Etage eines weißen Hauses. Nur ein paar kleine Gegenstände, ein Kissen mit einem Mumin-Motiv und ein Miniatur-Buddha verrieten, daß die fertig möblierte Zweizimmerwohnung Riittas Zuhause war. Die Wohnung war so klein, daß man sie einem Gast nicht noch extra zeigen mußte.
Zu Ratamos Überraschung blieb Riitta plötzlich vor ihm stehen und drückte ihm einen langen und einladenden Kuß auf die Lippen. Riittas Duft war der gleiche wie früher: der reine Duft der Frau, nicht durch Parfüm verdorben.
Ihre Sachen flogen auf den kleinen roten Teppich, sie umschlangen sich, liefen mit kleinen Schritten zum Bett und stürzten sich direkt in einen leidenschaftlichen Rhythmus. Sie genossen einander lange, mal ruhig, mal anspruchsvoll und fordernd, bis sie verschwitzt und stöhnend in enger Umarmung erstarrten.
Aus irgendeinem Grund kam es Ratamo so vor, als hätten sie sich das letzte Mal geliebt. Ob er es so empfand, weil erwollte, daß es so sein würde? Die Anspannung kehrte zurück. Nach ein paar Versuchen einer Unterhaltung, die schon im Ansatz steckenblieben, zog sich Ratamo an, und das ehemalige Paar wünschte sich wie alte Freunde noch einen schönen Abend.
Im Taxi dachte Ratamo zunächst lange über Riitta nach, dann wanderten seine Gedanken zu Europol und zur SUPO. Auch bei der Polizei konnte man der Karriereplanung nicht aus dem Weg gehen. Er hatte die Arbeit als Forscher aufgegeben und geglaubt, er habe sich damit aus der Tretmühle befreit, aber nach seiner Beförderung zum Oberkommissar hatte er begriffen, daß man als nächstes anstreben mußte, Inspektor zu werden, dann Oberinspektor, Abteilungsleiter, und dann folgte vermutlich der Burn-out-Urlaub. Scheiße, aber nicht mit ihm. Überraschend fiel ihm Ilona ein, sie brachte sofort einen frischen Wind aus einer anderen Welt.
Ratamo hatte die Nase voll von der ewigen Grübelei und konzentrierte sich auf die laufenden Ermittlungen. Er beschloß, Henk Timmerman anzurufen, und im selben Moment fiel ihm ein, daß er im Restaurant sein Telefon
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