Finnisches Quartett
abgeschaltet hatte. Ans Netz angeschlossen, gab das Handy ein akustisches Feuerwerk von sich, das noch anhielt, als Ratamo schon das Taxi vor dem Mercure-Hotel bezahlte.
Lasse Nordman wartete im Foyer mit stolzgeschwellter Brust, es sah so aus, als wollte er Ratamo zur Begrüßung am liebsten k. o. schlagen. »Wo zum Teufel haben Sie gesteckt? Die vom AIVD haben sogar mich schon angerufen. Man hat Ulrike in Amsterdam gefunden, sie wird gerade nach Den Haag gebracht.«
38
Es roch nach Strom, und überall klingelten Telefone, als Ratamo den Raum der operativen Zentrale des AIVD betrat. Die holländischen Ermittler redeten alle durcheinander, und jemand schrieb etwas an den Flip-Chart. Es dauerte eine Weile, bis der Chef der Truppe seinen finnischen Kollegen bemerkte, der an der Tür stand.
Dann brachte Henk Timmerman Ratamo auf den neuesten Stand. »Ulrike Berger ist vor einer Stunde in Amsterdam auf die Polizeiwache in der Warmoesstraat gekommen, Eamon O’Donnell ist frei, und irgend jemand versucht, Jaap van der Waal umzubringen. Ulrike Berger wird gerade aus der Poliklinik hierhergebracht. Sie hat sich bei der Flucht aus einem Keller verletzt«, sagte er, wandte sich um und bat seine Kollegen, wegen des finnischen Kollegen englisch zu sprechen.
Katje de Groot klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch, um die anderen auf sich aufmerksam zu machen. Ihr Gesicht war vor Erregung gerötet, so daß die Sommersprossen verdeckt wurden. »In ganz Belfast findet sich anscheinend kein Foto von O’Donnell. Hier hat jemand wirklich sehr sorgfältige Arbeit geleistet, selbst die Negative seiner Klassenbilder sind aus dem Fotogeschäft verschwunden. Die Polizei vor Ort sucht nun nach Bekannten, Verwandten und Klassenkameraden von O’Donnell.«
Timmerman fluchte und schob die Finger in seinen Bart. »Und das Phantombild?«
»Es kann sein, daß wir nach Ulrike Bergers Verhör ein neues Bild machen müssen. Aber die erste Version ist an die Nachbarn beider Wohnungen von O’Donnell, an die Leute in den umliegenden Häusern, an die Amsterdamer Verkehrsbetriebe, an die Polizei, die Flughäfen …« De Groot verstummte, als Timmerman die Arme hob.
Das Telefon klingelte, einer der Ermittler nahm ab, hörte einen Augenblick zu und rief dann etwas auf niederländisch.
»Ulrike Berger ist hier«, sagte Timmerman zu Ratamo und bedeutete dem Finnen und Katje de Groot, ihm zu folgen. Im Laufschritt eilte das Trio zu den Aufzügen und fuhr in den Keller hinunter. Ulrike Berger war als Informationsquelle Gold wert.
Ulrike saß gebeugt auf dem unbequemen Metallstuhl im Verhörraum, und der Psychologe Kris Bruijn stand neben ihr wie ein Leibwächter. Der Schmerz pochte nicht mehr in Ulrikes Hand, die in der Poliklinik betäubt und geschient worden war, außerdem hatte man ihr eine Packung Schmerztabletten mitgegeben. Die warme Dusche und das Klinikessen waren ihr wie königlicher Luxus vorgekommen, und die von Polizisten besorgten sauberen Kleidungsstücke liebkosten ihre Haut wie Seide. Es fehlte nur noch, daß sie Lasse sehen könnte.
Vor Müdigkeit fiel ihr das Denken schwer, als sie überlegte, was sie der Polizei von dem Anruf des Mannes, der sich Seraphim nannte, erzählen sollte. Auf jeden Fall würde sie sagen, daß Jaap van der Waals Leben in Gefahr war, aber sollte sie verraten, was Ezrael vorhatte? Laut Seraphim wurde Ezrael gebraucht, um Dexter zu entlarven. Vielleicht stimmte das. Ansonsten hätte Seraphim der Polizei ja nur Ezraels Telefonnummer mitzuteilen brauchen, und der Verrückte wäre in dem Keller gefunden, abgeholt und in Behandlung gebracht worden. Doch was geschah, wenn es Ezrael gelang, Dexter zu töten? Wollte sie diese Last auf dem Gewissen haben? Ihr Gedankengang wurde unterbrochen, als die Tür aufging und die Ermittler hereinkamen.
Bruijn sprach ein paar beruhigende Worte zu Ulrike und schaute dann Timmerman mit ernster Miene an. »Ich hoffe, das dauert nicht lange. Fräulein Berger hat in den letztenTagen einen Alptraum erleben müssen, den nicht alle gesund überstehen.«
Timmerman betrachtete Ulrike Berger aus seiner Höhe: Die Frau wirkte erschöpft, ein Verband bedeckte die ganze Hand, die Augenpartien waren geschwollen und die Augen gerötet. Die rote Narbe auf der Wange schien jedoch älterer Herkunft zu sein, nahm Timmerman an. Er setzte sich hin und beschloß, sofort zur Sache zu kommen. »Meines Wissens haben Sie noch nicht erfahren, daß Ihr … Freund Jorge Oliveira tot ist. Er wurde in
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