Finnisches Quartett
freuen.«
»Wer?« fragte Palosuo nun ihrerseits, und Ratamo schien es so, als würde sie erröten. Die anderen SUPO-Mitarbeiter kannten den Hintergrund von Nordman, immerhin war seine Mutter Verteidigungsministerin.
Loponen reichte seinen Kollegen eine Kopie von Nordmans Personenprofil und faßte die Hauptpunkte zusammen: »Vierunddreißig Jahre alt, ledig, Gymnasium des Normaalilyseo in Helsinki, Reserveoffiziersschule, Hochschule für Landesverteidigung und Studium der Internationalen Beziehungen in Harvard. Er hat 1998 den Dienst als Oberleutnant an der Fallschirmjägerschule Utti quittiert und war vor Final Action zumindest in Greenpeace und der Earth Liberation Front aktiv.«
»Nordman hat übrigens eine ziemlich eindrucksvolle Familiengeschichte. Aus gegebenem Anlaß habe ich auch das recherchiert«, fuhr Loponen fort und warf Palosuo einen grimmigen Blick zu. »Ein Nordman oder mehrere haben im Dreißigjährigen Krieg gekämpft, im Großen Nordischen Krieg, im Krieg der Hüte, im Åland-Krieg und im Finnischen Krieg, vom Bürgerkrieg und den anderen Scharmützeln im letzten Jahrhundert mal ganz abgesehen. Alle waren Offiziere. Über die Militärs der Familie ist auch ein Buch geschrieben worden.«
Da keine Fragen kamen, ging Loponen zu Final Action über. Die kürzlich gegründete, in Zellen organisierte Organisation galt als äußerst gefährlich. Ihre Mitglieder charakterisierten sich selbst als die neue Intelligenz Europas, die den Weg zur neuen Weltwirtschaft weisen würde, indem sie politische und wirtschaftliche Entscheidungen durch direkte Aktionen steuerten. Loponen legte seine Blätter auf den Tisch, goß sich Kaffee ein, nahm Zucker und rührte so andächtig um, daß Ketonen der Geduldsfaden riß.
»Ossi!« sagte der Chef im Befehlston, und Loponenschrak zusammen. Die SUPO-Mitarbeiter erfuhren nun, daß Final Action vor Den Haag nur einen Anschlag verübt hatte, den aber in sehr auffälliger Weise. Im März hatte die Organisation im indischen Bundesstaat Kerala, in der Nähe der Stadt Mahe, einen Baumwollsamenverarbeitungsbetrieb, der einem französischen Konzern gehörte, durch einen Sabotageanschlag lahmgelegt. Die Motive für ihre Heldentat waren von den Ökoterroristen überall in der Welt sehr wirkungsvoll in die Nachrichten gebracht worden: Tausende Kinder unter vierzehn Jahren hatten in der Fabrik vierzehn Stunden am Tag gearbeitet, waren Pestiziden ausgesetzt gewesen und litten unter schweren Krankheiten. Der Anschlag hatte in den westlichen Ländern gewaltiges Aufsehen erregt, das lahmgelegte französische Werk wurde geschlossen und danach noch viele andere europäische Fabriken, die Kinder als Arbeitskräfte ausnutzten, in Kerala und auch anderenorts in Indien.
»Ich erinnere mich natürlich«, sagte Ketonen, steckte sich ein Stück Würfelzucker in den Mund und trank Kaffee aus seinem Holzbecher.
»Und die beiden anderen Terroristen?« erkundigte sich Ratamo neugierig.
Loponen suchte in seinem Papierstapel den richtigen Bericht. »Der eine von ihnen, ein Portugiese namens Jorge Oliveira, ist auf der Flucht unter ungeklärten Umständen gestorben …«
»Wieso ungeklärt?« unterbrach ihn Ratamo.
Loponen lächelte schlau. »Der Mann wurde im Naturschutzgebiet Meijendel am Ufer eines flachen Teiches gefunden. Er war zwar an der Hand verletzt und hatte viel Blut verloren, aber trotzdem … Man weiß noch nicht, ob dieser … Jorge Oliveira ertrunken ist oder ob ihn seine Kumpane umgebracht haben, weil er ihre Flucht behinderte.« Loponen trank einen Schluck Wasser. »Der dritteÖkoterrorist ist immer noch auf freiem Fuß, eine Österreicherin namens Ulrike Berger.«
Ketonen schien mit Loponens Zusammenfassung nicht zufrieden zu sein. »Weshalb hat man Lasse Nordman erst heute gefunden, wenn der Anschlag schon vorgestern nacht verübt wurde?«
»Es ist dem Trio dank den militärischen Kenntnissen Nordmans gelungen, sich vor den Sicherheitsleuten von Dutch Oil und den Wärmekameras der Polizei zu verstecken. Für einen Profi ist es ziemlich einfach, in einem zweitausend Hektar großen Gebiet vor ein paar Hunden und Wärmekameras zu fliehen.« Loponen schien auf die Leistung seines Landsmanns stolz zu sein.
Ratamo nickte, weil er wußte, daß Loponen recht hatte. »Wie ist die Frau geflohen?«
Loponen berichtete von den Ereignissen des Vormittags und schien sich für die holländischen Behörden zu schämen.
Ketonen blätterte in seinen Papieren, fand aber nicht, was er suchte.
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