Finnisches Quartett
Mosaikbildern geschmückten Steinfußboden, stieß die Tür auf, die in das schöne, im Stil des 19. Jahrhunderts restaurierte Treppenhaus führte, öffnete mit einem Knopfdruck die Glastür und hob die Hand, um den Diensthabenden im Kontrollraum zu grüßen, der ihn hinter dem Panzerglas aus seiner Höhe herab mit großen Augen anschaute. Wieder ein Knopfdruck, und die nächste Glastür öffnete sich, der Windfang, noch ein Knopfdruck, und die Haustür ging auf. Zum wievieltenmal mochte er wohl dieses Ritual begehen?
Im Supermarkt in der Pursimiehenkatu fand er, was er brauchte: die blaue Wurst von HK, Ketchup, den scharfen Senf von Aura, finnischen Edamer, eine Packung Sahnekartoffeln und die Hundewurst »Mustis Leckerbissen«. Er vergewisserte sich in der Schlange an der Kasse zweimal, daß die Wurst und der Käse keine Light-Produkte waren. Bei solch einer Gelegenheit mußte man die richtigen Produkte verwenden.
Auf den Straßen wurde Sand aufgewirbelt. Das warme Maiwetter ließ Ketonen beim Gehen schnaufen und Musti hecheln, zum Glück war der Weg bis nach Hause nicht weit. Seine Kondition war miserabel, denn mit dem Skilaufen mußte er auf den nächsten Schnee warten, und die Sache mit der Bandscheibe wurde einfach nicht besser. Vielleicht war es für ihn wirklich an der Zeit, in Rente zu gehen. Der größte Teil der Aufgaben des SUPO-Chefs hing heutzutage mit internationalen Dingen zusammen: der ewige Streit mit der EU-Bürokratie, die operative Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten der anderen Länder, der Kampf gegen den Terrorismus …
Markettas Wohnung in der Jääkärinkatu kam ihm nun allmählich schon wie sein Zuhause vor, überlegte Ketonen und warf seine Jacke auf die Bank im Flur. Er hatte aus seiner früheren Wohnung nur ein paar Möbel behalten, mit denen keine Erinnerungen an seine verstorbene Ehefrau Hilkka verbunden waren. Manchmal schien es Ketonen, daß er so ein Glück überhaupt nicht verdiente, auf seine alten Tage noch einer Frau wie Marketta begegnet zu sein. Sogar die Zwangsdiät, den Verzicht auf das Wetten und das Rauchverbot empfand er im Vergleich damit als erträgliche Opfer. Vor allem, wenn man sie bei passender Gelegenheit umgehen konnte, wie zum Beispiel jetzt.
Ketonen atmete den Geruch des Fettes tief ein und wendete ungeduldig die halben Würste, die im Tiegel brutzelten. Die Mikrowelle klingelte – die Sahnekartoffeln waren fertig. Er legte die Wursthälften wie eine Ellipse auf den Teller, drückte einen Deziliter Senf auf ihre Außenseite und reichlich Ketchup in sie hinein. Diese Technik hatte sich schon in den siebziger Jahren bewährt: Der Senf war so fest, daß er nicht herunterlief, während die Öffnung in der Mitte der Wurst den Ketchup hielt, der eher flüssig war. Die Gewürze würden sich erst vermischen, wenn die Wurst zur Hälfte gegessen war. Und das geschah innerhalb einer Minute. Es schmeckte himmlisch. Ketonen genoß es aus vollem Herzen, genau wie Musti, die ihre Hundewurst verschlang.
Auf dem Tisch lag der New Scientist, Ketonen blätterte darin, bis er die Nachrichten über die neuesten Erfindungen entdeckte. Im Laufe der Jahre war es für ihn eine Art Hobby geworden, staunend zu lesen, was es für neue technische Apparate gab. Schon bald lachte Ketonen schallend, so daß Musti erschrak. Ein japanisches Elektronikunternehmen hatte eine Methode entwickelt, mit der man im Restaurant automatisch ermitteln konnte, wann die Gläser derGäste nachgefüllt werden mußten. Ein Mikrochip im Glas maß die Flüssigkeitsmenge, und ein am Boden des Glases versteckter Sender übertrug die Daten an einen Empfänger im Tisch, der wiederum auf dem Monitor am Bartresen meldete, wenn das Glas nachgefüllt werden mußte. Falls irgendeine Erfindung in Finnland Aussicht auf Erfolg hätte, dann war es diese, dachte Ketonen amüsiert. Auch über die Geschichte von der Waffe, die wie ein Gewehr aussah und in einem Winkel von sechzig Grad gebogen werden konnte, mußte er lächeln; jetzt konnte man ungefährdet auch um die Ecke schießen. Halleluja.
Als er vom Fett wie betrunken war, hellten sich seine Gedanken auf und landeten wieder bei seiner Pensionierung. Kein Wunder, er hatte der SUPO über dreißig Jahre lang fast seine ganze Zeit geopfert. Sicherheitspolizei, Ketonen ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. Noch vor ein paar Jahren hatte er vermutet, daß er die SUPO nur mit ausgestreckten Beinen verlassen würde, die Stiefel an den Füßen. Doch dank Marketta
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