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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Alföldi Étterem stellte Anna den Keramikteller auf den Tisch und gab ihrem Bruder einen Kuß auf die breite Stirn. Horvát bedankte sich, stach die Gabel in die gewürzte Paprikawurst und bedeckte sie mit etwas Lecsó. Die in Fett gebratene Gemüsemischung aus Zwiebeln, Tomaten und Paprika war so salzig, daß er diesmal sein Bier nicht aufschäumte. In der Gaststätte wimmelte es von Menschen, zur Mittagszeit herrschte Hochbetrieb.
    Seine dunklen Zähne bewegten sich wie die Schneiden einer Drahtschere, und das laute Schmatzen fand in den riesigen Kinnladen einen guten Resonanzboden. Horvát hatte große Lust, eine Touristendame anzubrüllen, die vornehm ihre Suppe löffelte und die Nase wegen seiner Tischsitten rümpfte.
    Alles entwickelte sich gut. Bald würde er Zeit für seine Familie haben und genug Geld, um seiner Schwester sogar das beste Speiserestaurant in Budapest, das »Gundel«, zu kaufen. Nun mußte nur noch die EU-Kommission die ungarischen Behörden zwingen, die Ukrainer von »Krešatik« aus dem Land zu jagen. Drina war schon tot, und Jugović würde bald sterben.
    Horvát hatte am Morgen von seiner Kontaktperson im NBH erfahren, daß in Helsinki die finnische Frau ermordet worden war, die Drinas Namen verraten hatte. Horvát vermutete, daß Jugović in seiner Not die Zeugen eliminierte.Sein Mitarbeiter, der die Telefongespräche von Jugović abhörte, hatte ihm eben mitgeteilt, daß der Serbe auf dem Weg nach Kopenhagen sei. Jugović wollte sicherstellen, daß der vierte Mord planmäßig verlief und er sein Honorar erhielt. Nach den Telefongesprächen zu urteilen, war sein endgültiges Ziel allerdings Belgrad. Der Serbe unterhielt sich mehrmals am Tag mit seinen ehemaligen Komplizen. Jugović wollte Arkans alte Organisation wiederbeleben. Ein sehr guter Plan, das mußte Horvát zugeben. Es ärgerte ihn fast, daß er niemals ausgeführt werden würde.
    Auch Horvát wollte in Kopenhagen sein, wenn der vierte Mord geschah und Jugović sein Honorar in Empfang nahm. Er würde den Serben umbringen lassen und sich das Geld schnappen. Dann brauchte er nur darauf zu warten, daß die EU-Kommission die ungarischen Behörden endlich dazu zwang, Maßnahmen auf der Grundlage seiner Informationen zu ergreifen. Die Ukrainer würden aus dem Lande getrieben. Und »Krešatik« gehörte ihm.
    Der große Körper bebte, als Horvát rülpste. Ein breites Grinsen enthüllte die dunklen Zähne. Béla rief von der Küchentür, welchen Nachtisch er wolle. Horvát begnügte sich mit einem Kaffee, er wollte frisch und munter bleiben.

42
    Pastor stellte seinen Koffer in dem Kopenhagener Hotelzimmer ab, drehte sich um und schlug mit dem Ellbogen gegen die Badezimmertür. Die angestaute Wut loderte auf. Er trat gegen die Tür, so daß sie aus den Angeln flog, packte die Hutablage im Flur, zerrte so lange daran, bis sich die Dübel aus der Wand lösten, und warf das Metallgitter ans Fenster. Die Gardinen dämpften den Aufprall, die Scheibe zersplitterte nicht. Ihm wurde schwarz vor Augen. Drina war ermordetworden. Er fühlte sich so, als hätte man ihm seine Jugend weggerissen. Die Liste für seine Rache war um einen Namen länger geworden.
    Er schnaufte, Speichel floß ihm aus den Mundwinkeln. Ljubo hatte ihn gestern über die Ermordung Drinas informiert. Die Nachricht war ein schwerer Schock für Pastor, aber er hatte seine Gefühle unterdrückt. Drina konnte Ljubo nicht mehr mitteilen, daß er ihn aus dem Exekutionskommando ausgeschlossen hatte, also kam Pastor gemäß dem ursprünglichen Plan nach Kopenhagen. Während der Reise zwang er sich zur Beherrschung. Er glaubte, daß Zoran Jugović hinter dem Mord an seinem Freund steckte. Drina hatte gesagt, er habe den Verdacht, daß Jugović ihn betrog. Der Serbe hatte sich während des ganzen Projekts zur Ermordung der Kommissare seltsam verhalten. Er verlangte von Drina, mit niemandem über den Auftrag zu sprechen, und weigerte sich trotz der Mißerfolge, den Zeitplan zu ändern und den letzten Mord zu verschieben …
    Pastor mußte eine Beruhigungstablette nehmen. Nur eine. Er holte seine Kulturtasche aus dem Anzugbeutel, nahm das Oxamin heraus und warf sich eine Fünfzig-Milligramm-Tablette in den Mund. Die Pille zerfiel auf der Zunge und wurde vom Leitungswasser hinuntergespült. Er zählte bis zehn. Der Puls lag immer noch weit über hundert.
    Allmählich wirkte die Medizin. Ihm wurde klar, daß er das erste Mal während der ganzen Operation die Beherrschung verloren hatte.

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