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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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zurückkehren. Er hatte eben von der »Krešatik«-Kontaktperson im NBH erfahren, daß die finnische Frau, die Drina verraten hatte, tot war.
    Die Kontaktperson hatte berichtet, daß die Polizei Horvát verdächtigte, die Morde an Drina und der finnischen Frau organisiert zu haben. Der NBH hatte angeblich Beweise:aufgezeichnete Telefongespräche. Horvát hatte wahrscheinlich Drina beseitigt, aber Jugović konnte absolut nicht verstehen, welchen Nutzen Horvát die Ermordung der finnischen Frau brachte. Vor allem, da sie der finnischen Polizei schon erzählt hatte, was sie wußte.
    Jugović hatte Angst vor »Krešatik« und Attila Horvát. Er war sicher, daß der Ungar neben Drina auch ihn verdächtigte, »Krešatik« hintergangen zu haben. Horvát hatte in den letzten Tagen häufiger als je zuvor Kontakt zu ihm aufgenommen, obgleich er eigentlich nichts von seiner Rolle bei den Morden an den Kommissaren wissen konnte. Horvát würde kaum annehmen, daß Drina einen Alleingang machte und in die eigene Tasche wirtschaftete, ohne seinen Chef einzuweihen. Der Ungar wußte, daß Drina seit dem Krieg auf dem Balkan daran gewöhnt war, auch die seltsamsten Befehle von Jugović auszuführen.
    Der Lautstärkeregler wurde auf Südost gedreht.
»Ne treba mi niko, pustite me svi …«
Jugović sang mit.
    In jedem Falle war es höchste Zeit, zu verschwinden. Irgend jemand liquidierte die Zeugen. Jemand, der alles zu wissen schien. Der Tod der finnischen Frau mußte mit den Morden an den Kommissaren zusammenhängen. Und er spürte auch schon den Atem der Polizei im Nacken, die finnische Frau und Drina hatten sie bereits gefunden, über kurz oder lang würden sie auch ihn finden. Von Drina führten die Spuren direkt zu ihm.
    Am gestrigen Abend waren schon zwei Männer vom NBH bei ihm gewesen. Sie hatten jedoch nur Fragen zu dem Mord an Drina gestellt: Ob er die Täter kenne, wen er in Verdacht habe, was das Motiv für den Mord sei … Sie hatten ihn gebeten, den NBH zu informieren, wenn er Budapest verlassen wollte. Seinen Paß hatten sie jedoch nicht beschlagnahmt. Das hätte auch nicht viel genützt. Er besaß noch alle Pässe, die er sich während des Krieges beschafft hatte.
    Jugović hörte trotz der lauten Musik ein metallisches Klopfen. Jemand hämmerte an den Heizkörper. Er drehte den Lautstärkeregler auf das Maximum und stellte die Koffer in den Flur.
    Zu seiner Überraschung hatte Jakob Reimer Verständnis für seinen Wunsch gezeigt, an den Ort des vierten Mordes, nach Kopenhagen, zu fahren. Der Schweizer Jurist begriff endlich, daß ihm in Budapest der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. Reimer hatte bekräftigt, das Honorar könne in Kopenhagen unmittelbar nach dem vierten Mord abgehoben werden. Und er versprach, einem dänischen Kollegen die Vollmacht zur Unterzeichnung der Zahlungsanweisung zu erteilen, falls die Bank eine gefaxte Unterschrift nicht akzeptierte.
    Jetzt hämmerte jemand an die Tür. Normalerweise hätte Jugović den Störenfried zusammengeschlagen, aber jetzt blieb keine Zeit für einen Zwischenfall. Sobald er Budapest verließ, ging es für ihn um Leben und Tod. Spätestens seine Flucht bestätigte, daß er »Krešatik« verraten hatte. Auf seinen Kopf würde eine Belohnung ausgesetzt werden. Zu Hause in Belgrad wäre er in der Lage, sich zu schützen. Aber er mußte erst einmal dorthin kommen, mit dem Geld.
    Jugović schaute sich in der Wohnung um: Er würde sich nach nichts sehnen, was er hier zurückließ. Der Spiegel im Flur verriet, daß sein Haarschopf wirr und die Hose zerknittert aussahen. Diesmal hatte er keine Zeit, sich herzurichten, außerdem sah er trotz alledem noch toll aus. Er bemerkte den Fleck, den der Slibowitz in den Mahagonitisch gebrannt hatte, eine Erinnerung an Horváts überraschenden ersten Besuch. An dem Tag hatten die Probleme angefangen. Am liebsten hätte er die Wohnung in Brand gesteckt. Jemand rief etwas durch den Briefschlitz.
    Die Taxizentrale nahm seine Bestellung entgegen. Schon bald würde er in Kopenhagen sein und das Geld bekommen. Gleich nach dem vierten Mord.
    Die Stereoanlage dröhnte immer noch in voller Lautstärke, als Jugović sein Sakko mit dem Fischgrätenmuster über das Polohemd zog, die Tür öffnete und die Koffer ins Treppenhaus stellte.
    Ein Mann mittleren Alters überschüttete ihn wutentbrannt mit einer ganzen Flut von Beschwerden.
    »Du kriegst eine gute Stereoanlage«, sagte der Serbe und verschwand im Treppenflur.
     
    Im Restaurant

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