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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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seinem Verdacht erzählen?
    Es fiele ihm schwer, Demeter anzuschwärzen. So einen sympathischen Kollegen traf man selten. Vielleicht bauschte er die Bedeutung des Satzes unnötig auf, möglicherweise war es nur ein Versprecher. Er nahm sich vor, im Flugzeug in aller Ruhe darüber nachzudenken, und richtete sich mühsam auf.
    Ratamo ärgerte es, daß er Budapest verlassen sollte. Alle Spuren der Morde an den Kommissaren führten hierher. »Krešatik« mußte bei der Ausführung der Morde eine große Rolle spielen. Bestimmt hatte man Peter Seppälä zum Schweigen gebracht, damit er nicht verriet, wie groß diese Rolle war. Ratamo hatte den Verdacht, daß sich der Kopf der ganzen Operation hier in Budapest befand. Aber Befehl war Befehl. Vor allem, wenn er von Ketonen kam.
    Ratamo betrachtete zerstreut die Fotos von Akseli Saarnivaara, die Riitta ihm gestern abend per E-Mail geschickt hatte. Der Mann wirkte überraschend schmächtig. Ihm fiel Vanu ein, ein Mannschaftskamerad beim Eishockey. Der Junge war dürr wie eine Bohnenstange, aber stark wie ein Stier. Manche Menschen hatten so eine Muskelstruktur. Und wie sah die Seelenlandschaft von Saarnivaara aus? Genauso klar wie die von Varis oder genauso krank wie die von Seppälä?
    Seine Gedanken waren wieder abgeirrt. Ratamo überflogdie Zusammenfassung zu Akseli Saarnivaara. Seine Mutter war 1984 unter unklaren Umständen gestorben, es gab zahlreiche Selbstmordgerüchte. Der Vater verstarb 1990 an einem Herzinfarkt, und der einzige Sohn übernahm die Verantwortung für das Familienunternehmen. Es war Akseli Saarnivaaras Schicksal, daß in seiner Zeit als Direktor das einhundertfünfzig Jahre alte Unternehmen »Finska Järn« zerstört wurde. Saarnivaara verlor mit der Krise alles. Nach dem Konkurs fanden sich nur wenige Eintragungen zu ihm, der Mann hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten und sich dann völlig zurückgezogen.
    Saarnivaara erinnerte ihn an seinen Vater. Tapani Ratamo war Anfang der siebziger Jahre einer der jüngsten Medizinprofessoren in Finnland gewesen, als er seine Frau verlor. Davon hatte sich der Vater nie wieder erholt, der Wissenschaftler wurde ein verbitterter Einsiedler und Arto psychisch eine Waise.
    Er stand langsam auf und holte die Kautabakdose aus der Minibar. Die letzte Schachtel war nur noch halbvoll. Auch in Dänemark wurden Prieme gekaut, aber das Land hatte bei der EU keine Sondergenehmigung zum Verkauf von Kautabak beantragt wie Schweden. Vielleicht bekäme er eine oder zwei Dosen unterm Ladentisch, so wie in Helsinki. Er schlurfte ins Bad und schaute in den Spiegel. Der blaue Fleck auf dem Backenknochen war dunkler geworden, aber die Schwellungen am Augenlid und an der Oberlippe waren zurückgegangen. Auf seinem Kopf sah es aus wie unter der Achsel eines Bauern.
    Das heiße Wasser machte ihn endgültig wach und wirkte zugleich entspannend. Plötzlich fiel ihm Himoaalto ein. Irgendwann mußte er Seija anrufen und fragen, ob sich der Kerl schon wieder eingefunden hatte. Im Moment gab es für ihn wahrhaftig Wichtigeres zu bedenken als Timos selbstverursachte Probleme.
    Er spülte den Mund gründlich mit Wasser aus. Es brannte immer noch nach dem Chicken vindaloo. Die Muskeln wirkten locker, auch die blauen Flecke taten nicht weh. Die Masseuse hatte ganze Arbeit geleistet, obwohl es ein seltsames Gefühl gewesen war, nackt auf der Pritsche zu liegen. Vor allem, als die Oberschenkel von vorn massiert wurden.

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    »Voda koju pijem ne treba mi, ne … Kol’ko ruke tvoje sto me ne grle …«
Cecas Lied »Vazduh Koji Disem« dröhnte so laut, daß der Kronleuchter klirrte.
    Zoran Jugović mußte sich sputen. Er hatte ein Ticket für die Mittagsmaschine nach Malmö bekommen. Von dort konnte man mit dem Taxi nach Kopenhagen fahren. Er holte schon den zweiten Samsonite-Koffer aus seinem Kleiderschrank und überlegte, was er einpacken sollte. Zwar war er nicht der Typ, der an Gegenständen hing, aber irgendeine Erinnerung an die Kriegsjahre wollte er dennoch mitnehmen. Schließlich begnügte er sich damit, neben seiner Uniform eine Medaille aufzuheben, die ihm Slobodan Milošević eigenhändig überreicht hatte, und außerdem noch Fotos von ihm und Arkan. Die Fotos eigneten sich gut als Vorwand für eine Kontaktaufnahme mit Ceca. Die Koffer würde er direkt nach Belgrad schicken; er würde ihnen folgen, sobald er von Reimer das Geld bekommen hatte. Seine restlichen Sachen konnten hierbleiben und verschimmeln. Nach Budapest würde er nie mehr

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