Finnisches Requiem
nicht ruhig abwarten und die anderen die Arbeit machen lassen, dazu war er zu intensiv mit diesem Fall verbunden.
Ob die Kioske in Kopenhagen unter dem Ladentisch Kautabak verkauften so wie in Helsinki?
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Als der lange Tunnel zu Ende war und Zoran Jugović die Lichter der City von Kopenhagen am Horizont sah, schoß ihm das Adrenalin ins Blut. Niemand wartete am Tunnelausgang auf den Passat, den er am Flughafen von Malmö gemietet hatte. Auch im Tunnel selbst war ihm niemand gefolgt. Um sich zu vergewissern, war er trotz eines wütenden Hupkonzerts etliche Kilometer nur vierzig gefahren. Sicher hatte man in dem Auto ein GPS-Gerät installiert. Mit dessen Hilfe konnte die Polizei ein Objekt, das sich bewegte, ganz einfach überwachen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, bestand nicht, sie brauchten nur auf dem Computermonitor den vorrückenden Punkt zu verfolgen. Jugović war sich absolut sicher, daß er überwacht wurde. Er kratzte sich am Kinn, die Bartstoppeln juckten.
Doch das war die geringste seiner Sorgen. Auf den letzten Metern kurz vor dem Ziel ging alles in die Brüche. Er hatte von der Kontaktperson beim NBH erfahren, daß Attila Horvát und Jakob Reimer zusammenarbeiteten. Der NBH hörte Horváts Gespräche seit dem Mord an Drina ab. Horvát undReimer hatten sich am Nachmittag im Kurbad des Gellért-Hotels getroffen.
Attila Horvát war ihm dichter auf den Fersen, als er geahnt hatte. Also war er im allerletzten Moment aus Budapest geflohen. Doch warum lebte er noch, wenn Horvát von seinem Betrug wußte? Hatte Reimer ihn hintergangen? Würde er das Geld bekommen? Zu allem Überfluß würde auch Horvát selbst am nächsten Morgen in Kopenhagen auftauchen. Jugović mußte herausfinden, was zum Teufel hier im Gange war. Doch zunächst galt es, die Verfolger abzuschütteln.
Etliche Kilometer blickte Jugović ständig in die Rückspiegel, beschleunigte und verlangsamte das Tempo, fuhr Schleifen auf Nebenstraßen und kehrte wieder auf die Hauptstraße zurück, die ins Stadtzentrum führte. Im Rückspiegel tauchte dann und wann in der Ferne ein Hubschrauber auf. Andere Verfolger gab es nicht. Es war fünf Uhr am Nachmittag, und der düstere Tag versank im Abend. Jugović verabscheute die nordischen Länder, die Kälte war nichts für ihn.
Er mußte einen geeigneten Tunnel finden. Der Passat überquerte Brücken und fuhr um das Zentrum von Kopenhagen herum. Den Schildern entnahm Jugović, daß er sich in Frederiksberg befand, auf einer Straße, die nach Roskilde führte. Er durfte sich nicht zu weit vom Zentrum abtreiben lassen.
Plötzlich war links ein Tunneleingang zu sehen. Jugović riß das Lenkrad nach links und wäre um ein Haar einem kleinen schwarzen Peugeot in die Seite gefahren. Er drängte sich vor den Peugeot und bremste, als er eine Ampel sah, die Rot zeigte. Der Peugeot blieb ein paar Zentimeter von seiner hinteren Stoßstange entfernt stehen. Im Rückspiegel sah er, wie der Fahrer ihm mit der Faust drohte.
Durch den Tunnel floß der Verkehr in beiden Richtungenauf jeweils zwei Fahrspuren. Wenn er lang genug war, könnte sein Manöver gelingen.
Die Ampel wechselte auf Grün, und der Passat schoß los. Jugović mußte sofort nach dem Tunneleingang handeln. Er wechselte auf die linke Spur, verlangsamte das Tempo und beobachtete im Seitenspiegel den Verkehr auf der rechten Spur. Ein Volvo Kombi fuhr vorbei, dann ein großer BMW und ein Kleintransporter. Das ist er, dachte Jugović, als ein Toyota, der ein bißchen größer als ein Umzugskarton war, mühsam an ihm vorbeifuhr. Hinterm Steuer sah man das konzentrierte Gesicht einer jungen Frau.
Gleich nach dem Tunneleingang beschleunigte Jugović, bis er neben dem Toyota war, und fuhr ihm dann in die linke Seite. Der Toyota schleifte rechts die Tunnelwand entlang. Funken sprühten, und die Frau bremste. Jugović lenkte seinen Wagen immer dichter an den Toyota, schließlich blieben beide Autos, begleitet von einem höllischen, ohrenbetäubenden Hupkonzert, stehen. Das Ende des Tunnels war als heller Punkt ein paar hundert Meter entfernt zu sehen; er würde keine Probleme haben, sofern es im Tunnel nicht zum Stau kam.
Jugović schaute in den Rückspiegel und wartete den geeigneten Moment zum Aussteigen ab. In einigen vorüberfahrenden Autos zeigte man ihm die international üblichen Handzeichen, und einer wollte sogar anhalten, um etwas zu sagen. Jugović gab ihnen wütend zu verstehen, sie sollten weiterfahren. Wenn der Hubschrauberbesatzung klar
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