Finnisches Requiem
›Pastor‹ nennen«, antwortete Pastor leise. Er hatte schon Lust zu schießen, Schmerzen zu verursachen, er wollte sehen, wie Jugović litt. Wenn er unbegrenzt Zeit hätte, würde er den Mann vor dem befreienden Schuß alle Qualen erleiden lassen, die er kannte.
»Ich habe deine Freunde nicht ermorden lassen«, sagte der Serbe mit fester Stimme.
Pastor war überrascht. Der dünne Serbe schien keine Angst zu haben. Er hatte sich vorgestellt, der Mann würde alles abstreiten und Erklärungen finden, um am Leben zu bleiben. War er als Soldat an die Lebensgefahr gewöhnt, oder sagte der Mann die Wahrheit? Pastor zielte auf den Kopf seines Opfers, ging auf Jugović zu und befahl ihm mit einer Handbewegung, sich hinzuknien. Er bohrte den Pistolenlauf ins Auge des Serben, so daß der Mann aufstöhnte. Der Haß trübte sein Denken, er mußte sich anstrengen, um seine Wut zu unterdrücken. Jugović durfte nicht so leicht davonkommen. Er beschloß, mit der Kniescheibe anzufangen.
»Laß mich das erklären. Die Situation ist wesentlich komplizierter, als du annimmst.« Jugović wirkte ganz ruhig und behauptete, man hätte auch ihn hinters Licht geführt. Er arbeite für einen Schweizer Juristen namens Jakob Reimer, der den Auftraggeber der Morde an den Kommissaren vertrat.»Ich habe gestern vom ungarischen Sicherheitsdienst NBH erfahren, daß Attila Horvát sich mit Reimer getroffen hat. Und laut NBH hat Horvát die Ermordung Drinas und dieser finnischen Frau organisiert.«
Der NBH habe auch Beweise, sagte Jugović: Fotos und Mitschnitte von Telefonaten. Horvát und Reimer hätten sich verbündet. Und er habe vergeblich versucht, Ljubo zu erreichen und ihm mitzuteilen, daß sein Exekutionskommando den vierten Mord nicht ausführen durfte, solange Reimer nicht gezahlt hatte.
Pastor war verblüfft und dachte einen Augenblick nach. »Kontakt zu Ljubo nimmst du nicht auf. Der vierte Mord wird wie vereinbart ausgeführt.« Diese Geschichte hatte sich der Serbe nicht so schnell ausdenken können. Pastor wollte noch mehr hören. Was könnte das schon schaden? Er trat Jugović gegen das Schienbein. »Rede!«
»Attila Horvát hat deine Freunde umbringen lassen. Wenn du mich erschießt, bekommt das Exekutionskommando kein Geld für die Morde an den Kommissaren. Vielleicht ist es das, was Horvát beabsichtigt, vielleicht bekommt er das Honorar von Reimer«, überlegte Jugović laut, als säße er ganz normal am Frühstückstisch. Er sah, daß Pastor zögerte. »Was hätte mir Drinas Tod genützt? Ich brauchte Drina. Mein Geld bekomme ich erst, wenn alle vier Morde ausgeführt sind. Auch den Anteil des Exekutionskommandos.« Jugović sah so aus, als würde er die Wahrheit sagen.
Pastor begann schon zu zweifeln. Hatte man ihn hin und her geschoben wie einen Abfalleimer? Er zwang sich dazu, keine Miene zu verziehen. Ein Gentleman ließ niemals zu, daß ihn sein Gesichtsausdruck verriet. Nur wer sein Gesicht perfekt beherrschte, hatte sich auch sonst unter Kontrolle. »Du läßt dir alles mögliche einfallen, um deine Haut zu retten. Eine vergebliche Mühe. Drina hat mir vor seinem Tod erzählt, daß er dir mißtraut. Und ein anonymer Anrufer hatmir gestern mitgeteilt, daß du meine Freunde hast umbringen lassen. Nur ihr beide, Drina und du, wußtet von den Morden an den Kommissaren. Und du bist hier und willst dir das Geld holen.«
Jugović wurde blaß. »Rufen wir Horvát an.«
»Du wolltest Drina übers Ohr hauen. Du verdienst den Tod in jedem Falle.«
»Ich bin hier, um das Geld abzuholen. Wenn du mich tötest, bleibt der Mörder von Drina frei, und das Exekutionskommando sieht nicht einen Cent vom Honorar. Und willst du denn nicht wissen, wer Drina umgebracht hat?«
Pastor setzte sich in den Sessel. Er war überrascht, und das schwächte den Haß ab. Die Situation erwies sich als zu kompliziert. Wer zum Teufel war dieser Jakob Reimer? Und was plante Horvát? Er wollte die Wahrheit wissen: Der Mörder von Drina und Hannele mußte sterben. Er schaltete den Lautsprecher des Telefons ein. »Überprüfen wir deine Geschichte. Sag, daß du Horvát jetzt sofort treffen willst. Verlange die Bezahlung vor dem vierten Mord.«
Jugović tippte die Nummer ein, wartete einen Augenblick und hörte dann Horváts dunkle Stimme. »Ich spreche englisch, weil ich einen Gast habe. Es gibt eine Änderung im Plan. Ich weiß von dir und Jakob Reimer. Ich will das Geld im voraus. Verstehst du? Sonst wird der Auftrag nicht ausgeführt.«
»Ich
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