Finnisches Requiem
ehemalige serbische Soldat verfügte. Vielleicht funktionierte die Belgrader Organisation von Jugović schon. Führte der Serbe sowohl ihn als auch Reimer hinters Licht? Oder war es genau anders herum.
Reimers Rolle erstaunte ihn. Warum befahl ihm der Schweizer, die Lügen von Jugović hinzunehmen und ein Treffen mit dem Serben zu vereinbaren? Was zum Teufel war hier im Gange? Er hatte doch vor dem heutigen Tage noch nie mit Reimer gesprochen.
Horvát begriff das Ganze nicht. Ihm war nur klar, daß Reimer und Jugović möglichst schnell umgebracht werden mußten. Wenn die Information über die Unterlagen, die er an die Kommission geschickt hatte, bis zu »Krešatik« oder Mitrano gelangte, war er in Budapest nicht mehr sicher. Und woanders auch nicht. Die Eliminierung der Leute von »Krešatik«, die er angeschoben hatte, würde wie ein Bumerang ihn selbst treffen.
Ein Blick in den Spiegel verriet die Anspannung in seinem Gesicht. Horvát atmete tief durch. Er wollte wie ein ganz gewöhnlicher, verschlafener Geschäftsreisender aussehen. Zum Glück hatte er deutsche Papiere.
Er ging in aller Ruhe zur Paßkontrolle. Am frühen Morgen herrschte Hochbetrieb, die Schlange war mehr als zehn Meter lang. Am Schalter für die EU-Bürger ging es aber schnell voran. Reimer hatte versprochen, seine Leute auf denFlughafen zu schicken, um ihn abzuholen; sie würden ihm helfen, seine Beschatter abzuschütteln. Die dänischen Behörden wußten angeblich, daß er einreiste. Irgend jemand in Budapest hatte seine Reise der Polizei gemeldet. Woher zum Teufel hatte sich der Schweizer Jurist, dieser Fiesling, auch diese Information beschafft? In dem Moment wurde ihm klar, daß man ihn höchstwahrscheinlich bei der Paßkontrolle verhaften würde, falls die Polizei ihn schon erwartete, wie Reimer behauptete. Sein Puls beschleunigte sich.
Jetzt war er an der Reihe. Der Beamte sah den deutschen Paß, warf einen Blick auf das Foto und zog den Magnetstreifen des Passes durch das elektronische Lesegerät. Keine Eintragungen. Dann schaute der Beamte auf etwas, das vor ihm an der Wand hing. Horvát konnte es nicht sehen. Er spürte, wie ihm Schweißperlen auf die Stirn traten. Der Beamte murmelte etwas, streckte seine Hand aus, und Horvát nahm den Paß. Er ging weiter in die Gepäckhalle und durch die Zollkontrolle ins Foyer des Flughafens.
Vor dem Auslandsterminal herrschte Hochbetrieb, die Schlange am Taxistand war endlos lang. Horvát wußte, daß er mit seiner Größe von fast zwei Metern in dem Menschengedränge gut auszumachen war.
Aus einem protzigen schwarzen Cadillac CTS stieg ein junger Mann in einer Jeansjacke. Das Auto stand direkt an der Ausgangstür. Der Mann lehnte sich an den Wagen und winkte Horvát zu sich.
Sie setzten sich auf den Rücksitz, und das Auto schoß los. Niemand sagte etwas. Der junge Mann und der Fahrer waren sicher Reimers Handlanger. Horvát wurde noch unruhiger. Wer weiß, vielleicht ging er in eine Falle und befand sich schon auf dem Weg in sein Grab. Er war es aber gewöhnt, Herr der Lage zu sein. Mühsam versuchte er sich zu beruhigen, Reimer würde sein Tod überhaupt nichts nützen. Undnach all dem zu urteilen, was seine Leute beim Ausspionieren von Jugović gesehen und gehört hatten, war Reimer ein fähiger und effektiver Jurist. Horvát streckte seine Beine aus, neben ihm war genug Platz. Ein paar tiefe Atemzüge, und er hatte seine Gedanken wieder unter Kontrolle.
Nach Industriegebieten und Vorstädten tauchten nun hier und da Einfamilienhäuser und schließlich mehrgeschossige Häuser auf. Sie näherten sich dem Zentrum. Es war kurz vor halb zehn an diesem diesigen, aber ziemlich warmen Morgen. Er besuchte Dänemark das erste Mal. Alles wirkte sauber. Eines Tages würde auch Ungarn so aussehen: Wie das gut gepflegte Land eines Volkes, das in Wohlstand lebte.
»Wenn der Wagen hält, folgst du mir, ohne viel zu fragen«, sagte der junge Mann, als der Cadillac auf eine Brücke fuhr, die eine Meeresbucht überquerte. Das Verhalten des jungen Mannes wurmte Horvát, schließlich war er in der Welt des Verbrechens kein grüner Junge. Sie bogen in Richtung Zentrum ab, je länger die Fahrt dauerte, um so größer wurden die Geschäfte. Horvát las auf einem Schild, daß sie die Østergade entlangfuhren.
Der Fahrer bog zum Parkhaus des Illum-Warenhauses ab und beschleunigte auf der spiralförmigen Rampe so sehr, daß Horvát sich festhalten mußte. Der Cadillac fuhr mit quietschenden Reifen bis
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