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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Irmeli geduldig. Um Hannele zum Sprechen zu bewegen, bedurfte es vieler Nachfragen.
    »Der Mann hat behauptet, daß er die EU empfindlichtreffen wird. Er hat schon im Sommer gesagt, daß die Kommissare den Tod verdienen. Und er wußte im voraus, daß die ersten Morde in Helsinki und in Sevilla passieren. Es wird noch mehr Morde geben. Ich weiß auch, wo, aber ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern.«
    Irmelis Gesichtsausdruck änderte sich und wirkte jetzt besorgt. »Wie heißt dieser Kriminelle?«
    Hannele schaute auf den Fußbodenbelag aus Kunststoff. Sie wollte den Namen von Pastors Jugendfreund nicht nennen. Dann könnte auch Pastor in Schwierigkeiten geraten. Und Pastor hatte gewiß nichts Böses getan. Daß sein Budapester Freund in eine Position gelangt war, die es ihm ermöglichte, der EU zu schaden, hatte er ihr im Sommer erzählt.
    »Wie hast du von diesem Kriminellen erfahren?« Irmeli ließ nicht locker.
    Hannele sank in sich zusammen, sie starrte auf den Fußboden, als liefe dort ein spannender Film. Das Muster des Belags schien ihr immer näher zu kommen, wenn sie es lange genug anschaute. Über Pastor würde sie nicht reden. Sie wollte auf keinen Fall dem Mann schaden, der versprochen hatte, mit ihr zusammen ein geregeltes Leben zu führen, wenn er seine Angelegenheiten in Ordnung gebracht hatte. Sie wollte nicht, daß ihr Pastor weggenommen wurde. Einen Menschen wie ihn würde sie nie wieder finden. Pastor verstand sie. Hannele sah, daß auf dem Fußbodenbelag kleine graue Fusseln schwebten.
    »Hast du wieder Stimmen gehört?« fragte Irmeli freundlich.
    »Nein«, antwortete Hannele leise.
    »Weiß jemand anders etwas über diese Morde?« Die Stimme der Ärztin klang jetzt strenger, fordernder.
    Hannele schien noch weiter zu einem kleinen Bündel zusammenzuschrumpfen. Sie schämte sich. »Der Kriminelle, der in Budapest wohnt.«
    Irmelis Gesichtsausdruck wurde wieder freundlicher. »Erinnerst du dich noch, Hannele, wie du vor zwei Jahren behauptet hast, dein Nachbar plane die Entführung des Ministerpräsidenten. Du hast versichert, in seiner Wohnung Stimmen gehört zu haben. Damals warst du überzeugt, daß du das sofort allen Fernseh- und Rundfunksendern erzählen mußtest. Ähnliche Dinge hast du auch früher schon angestellt.«
    Hannele wurde unruhig. Jetzt verhielt sich Irmeli genau wie ihre Mutter: Sie schimpfte mit ihr und belehrte sie. Nur Pastor stand wirklich auf ihrer Seite.
    »Du mußt verstehen, daß deine Krankheit die Ursache für diese Phantasiebilder ist. Deine Psychose befand sich im Zustand der Remission, das heißt, die Symptome waren weg, über ein Jahr lang. Die Neuroleptika und die Psychotherapie haben einen Rückfall deiner Psychose verhindert. Aber jetzt treibst du auf eine neue akute Phase zu. Du verstehst doch, was ich sage?«
    Hannele konnte nur nicken. Sie hätte es ahnen müssen, daß Irmeli ihre Geschichte nach allem, was sie sich schon ausgedacht hatte, nicht glauben würde. Wie könnte sie Irmeli überzeugen?
    Diese lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und saß entspannter da. »Hast du darüber mit irgend jemandem gesprochen?« fragte sie versöhnlich.
    Hannele schüttelte den Kopf. Sie kam sich vor wie minderwertige Knete. Wie ein Material, das andere erst in die richtige Form bringen mußten. Nie gelang ihr irgend etwas. Sie war nicht einmal imstande, ihrem Geliebten zu helfen, sosehr sie es auch versuchte.
    Die Ärztin tätschelte den Handrücken ihrer Patientin. »Es ist jedoch gut, daß du so früh von deinen Wahnvorstellungen erzählt hast. Vielleicht können wir den Ausbruch der akuten Phase noch verhindern. Haben die Medikamente in der letzten Zeit neue Nebenwirkungen verursacht?«
    Hannele erzählte, daß die Neuroleptika nur das gleiche wie immer bewirkten: Müdigkeit, einen trockenen Mund und einen leichten Hautausschlag. Irmelis Bemerkungen hatten sie irritiert. Sie glaubte sich genau daran zu erinnern, was Pastor ihr erzählt hatte. War sie sich vor zwei Jahren ebenso sicher gewesen, daß der Nachbar die Entführung des Ministerpräsidenten plante? Über den Erinnerungen aus jener Zeit lag ein Nebelschleier.
    Irmeli seufzte. Es war ein Fehler gewesen, die Dosierung von Hanneles Psychopharmaka zu verringern, nachdem sie ein Jahr lang keine Symptome gezeigt hatte. Jetzt sah es nach einem Rückfall in die Psychose aus. Aber gegen Hanneles Wahnvorstellungen wirkten die Neuroleptika. Bei vielen anderen Patienten war das nicht der Fall.
    Irmeli Itälä

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