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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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schrieb ein neues Rezept aus, bestellte Hannele zum Mittwoch wieder und verabschiedete ihre Patientin. Sie wußte nicht, was sie von alldem halten sollte. Hatte Hanneles Phantasie den Stoff für diese Wahnvorstellungen aus den Medien aufgeschnappt? Die überschütteten die Menschen ja fortlaufend mit Nachrichten über die Morde an den Kommissaren. Aber warum deutete, außer Hanneles unwahrscheinlicher Geschichte, nichts anderes auf einen Psychoserückfall hin? Viele Symptome fehlten: der Rückzug ins eigene Ich, die Erschütterung des Gefühlslebens …
    Ohne ihr Wissen um Hanneles Vergangenheit hätte sie glauben können, daß die Frau die Wahrheit sagte.

14
    Zoran Jugović wohnte in der Szerb utca gegenüber der serbischen Kirche, nicht weit entfernt von der Straße Belgrád rakpart. Näher kam er seiner Heimat in Budapest nicht. Er verabscheute Ungarn. In Budapest war er nur ein gutaussehenderGastarbeiter. Diese Rolle war eine Beleidigung für einen Mann, der acht Kriegsjahre lang wie ein Kaiser gelebt hatte. Bis zu dem Tag, an dem Arkan hingerichtet wurde.
    Der stampfende Rhythmus der Volksmusik wurde schneller. Jugović hatte eine Woche zuvor eine Satellitenschüssel auf seinem Balkon installieren lassen; Juvekomerc konnte man gerade nicht empfangen, deswegen schaute er sich auf Radiotelevizija Srbije an, wie eine Gruppe aus Novi Sad im Takt des Gesangs und der traditionellen Instrumente einen Kolo tanzte. Wenigstens hörte er seine Muttersprache. Das Vorabendprogramm der serbischen Kanäle erinnerte an das Angebot in den siebziger Jahren. Auf den meisten westeuropäischen Fernsehkanälen wurde der Mord in Sevilla behandelt, darüber wußte er schon alles.
    Jugović schaltete den Fernseher aus, wechselte die Fernbedienung, und schon erklang laut die vertraute Melodie des schönen Titels »Crni sneg« von Ceca. Auch Ceca hatte er durch Arkan kennengelernt.
    Er vermißte Arkan. Zeljko Raznatović alias Arkan hatte ihm alles zugänglich gemacht, was man mit Geld kaufen konnte; Arkan war schon mit etwa zwanzig Jahren Millionär geworden. Vor dem Krieg hatte er bewaffnete Bank- und andere Überfälle in ganz Europa unternommen: in Schweden, Belgien, Holland, Deutschland und Italien. Irgendwie war es ihm stets gelungen, aus dem Gefängnis zu fliehen. Viele glaubten, die Erklärung dafür läge in seiner Vergangenheit: Arkan hatte von 1973 bis zu dem Zeitpunkt, da der Nationalitätenkonflikt auf dem Balkan überkochte, als Profikiller für den SFRY, die jugoslawische Geheimpolizei, gearbeitet. Er kannte also viele wichtige Leute …
    Jugović und Arkan waren in den fünfziger Jahren in Brežice aufgewachsen. Jugović erinnerte sich nur noch selten an den alltäglichen Mangel und die Anrufe der Eltern aus dem Gefängnis. Aber bei dem Gedanken an die Taten seinesOnkels Mladen wurde ihm immer noch übel. Arkan hatte den Onkel schließlich so zusammengeschlagen, daß er gelähmt blieb. Nur wenige wußten, daß dies Arkans erstes Verbrechen war, für das er eine Gefängnisstrafe verdient hätte. Aber der Junge wurde natürlich nicht gefaßt. Seit jener Zeit war Jugović Arkan überallhin gefolgt.
    Im Krieg führten die Arkanovci, Arkans Räuberbanden, Kommandounternehmen in jene Gegenden durch, in die sich die anderen serbischen Truppen nicht wagten. Sie hatten ein starkes Motiv: Sie durften in den von ihnen eroberten Regionen alles rauben, was sie für wertvoll hielten. Arkan angelte sich die wenigen Fleischstücke aus der Suppe. Neben den Plünderungen verpaßten seine gutbezahlten und disziplinierten Söldner den Kroaten und Muslimen die Schocktherapie der ethnischen Säuberungen; Jugović erinnerte sich nicht gern an den Winter 1991 in Ostslawonien oder an die ersten Monate des Krieges in Bosnien, der im April 1992 begann. Arkan hatte mit seinen Truppen die ethnischen Säuberungen auf dem Balkan in Gang gesetzt. Jugović schämte sich immer noch für seine Taten.
    Die Plünderung der Dörfer hatte Arkans Habgier nicht befriedigt. Er brachte die kleinen Ölvorräte Ostslawoniens unter seine Kontrolle, stahl in den ersten Wochen des Krieges in Bosnien Tausende Autos in den bosnischen Volkswagen-Werken und betrieb einen grenzüberschreitenden Schwarzmarkthandel mit Treibstoff, Waffen, Zigaretten und Lebensmitteln. Arkan vermietete sogar kroatische Panzer an die Serben. Als er in Erdut, im serbisch kontrollierten Ost-Slawonien, ein Trainingscamp für seine Truppen einrichtete, dauerte es nicht lange, und alle Belgrader

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