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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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alle drei Sekunden verhungerte ein Kind. Pro Minute starben einundzwanzig Kinder an Krankheiten, die man mit Medikamenten hätte heilen können.
    Die Menschen in der westlichen Welt hätten ihre Entscheidung getroffen, verkündete Varis. Sie gaben jährlich siebzehn Milliarden Dollar für das Futter ihrer Haustiere aus, zwölf Milliarden Dollar für Parfüm und allein in Europa elf Milliarden Dollar für Speiseeis. Das Geld könnte man auch anders einsetzen: Die Grundschule für alle würde sechs Milliarden Dollar im Jahr kosten, sauberes Wasser für alle neun Milliarden Dollar und die Sicherung der grundlegenden Gesundheitsfürsorge und der Ernährung für alle Menschen dreizehn Milliarden Dollar.
    Für den Kapitalisten hätte alles seinen Preis, sogar mit den inneren Organen der Menschen in den armen Ländern würden Geschäfte gemacht. »Nachfrage und Angebot sind allgegenwärtig wie ein Gott«, predigte Varis.
    »Die USA sind der größte Ausbeuter. Die Vereinigten Staaten, der Sieger im Kalten Krieg, die einzige Supermacht der Welt.« Varis sprach die Worte aus, als würde er sie ausspucken. Die USA konnten sich überall in der Welt einmischen und die Probleme so lösen, wie sie es wollten. Sie dominierten den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation und waren so in der Lage, die schwächeren Staaten durch Erpressung zu zwingen, die von den USA gewünschten Wirtschaftsprinzipien und Gesetze einzuführen. Mit ihrem Vetorecht konnten die USA im UN-Sicherheitsrat Beschlüsse verhindern, die ihnen nicht genehm waren. Und wenn die Vereinigten Staaten die anderen UNO-Staaten nicht dazu bewegen konnten, von ihnen vorgeschlagene Wirtschaftssanktionen oder militärische Aktionen zu billigen, dann handelten sie allein. Die UNO, die Organisation der vereintenFeiglinge, stimmte den Aggressionen dann oft nachträglich zu.
    Varis war mit der Verkündigung seiner Thesen noch nicht am Ende: »Georges Clemenceau hat seine Meinung über die USA, die auch meine ist, so zusammengefaßt: ›Amerika ist die einzige Nation in der Geschichte mit einer Entwicklung von der Barbarei zur Dekadenz ohne Umweg über die Kultur.‹« Varis atmete einen Moment tief durch. Er hatte sein Aufklärungsprogramm in ein paar Minuten an den Mann gebracht.
    »Reicht das, oder soll ich weitermachen?« fragte er und lachte kühl.
    Die SUPO-Mitarbeiter waren verstummt und starrten den Verdächtigen an. In dem Verhörraum herrschte eine merkwürdige Atmosphäre. Die Polizisten wußten nicht, wie sie sich gegenüber dem des zweifachen Mordes verdächtigen Weltverbesserer, der in dem kargen und hellen Betonraum predigte, verhalten sollten.
    »Ich bin nicht …« Varis brach den Satz ab. Er hatte sich zu sehr ereifert. Selbst Mahatma Gandhi könnte dieses Publikum nicht von der Wahrheit überzeugen.
    Ratamo brummte skeptisch, obwohl Varis’ Messe ihn anscheinend beeindruckt hatte. Er versuchte zu lächeln. »Der Reiche bezahlt mit seinem Geld, und der Arme muß seine Haut zu Markte tragen.«
    Kuurma wußte nicht, wie sie Varis einschätzen sollte. Was trieb gerade diesen Mann dazu, statt Worte nun Taten sprechen zu lassen? Jeder hielt den Hungertod der Kinder und die anderen Greuel der Welt für ungerecht, aber nur wenige taten etwas dagegen. Auf wessen Seite stand sie eigentlich? Eines war ihr klar, Varis befand sich auf der richtigen Seite. Und auf der, die unterliegen würde.
    Plötzlich kam ein junger Ermittler der Sicherheitsabteilung hereingestürzt, ohne anzuklopfen. Das Licht derNeonröhren blendete ihn, so daß er die Hand vor die Augen hielt. »Erik!« rief Loponen und winkte Wrede auf den Gang hinaus. Er machte einen besorgten Eindruck.
    Die Mienen der SUPO-Mitarbeiter wurden noch ernster. Einen Augenblick später standen die drei schon vor Loponen auf dem Gang. Niemanden interessierte es, daß Varis allein in dem Raum blieb.
    »Der spanische Nachrichtendienst hat eben angerufen. Sie haben ein interessantes Band einer Überwachungskamera gefunden, die ein paar Häuserblocks von der zerstörten Bankfiliale entfernt installiert ist«, sagte Loponen.
    Wrede ruderte mit den Händen in der Luft, er wollte mehr hören.
    Loponen wählte seine Worte mit Bedacht. »Varis hat den Anschlag gegen die Banco Bilbao geleitet. Sein Trupp hat sich die Masken drei Minuten nach der Ermordung Henrik Sundströms abgenommen.«
    »Varis ist also unschuldig, was den Mord an Sundström angeht«, sagte Ratamo. Er schaute Wrede fragend

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