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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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unüberwindbarer gemacht hatte. Oder war Himoaalto etwas zugestoßen? An die Möglichkeit, daß sich der Mann etwas angetan haben könnte, wollte er lieber nicht denken. Diesmal hoffte er regelrecht, daß Timo in irgendeiner Kneipe saß und seine Sorgen ertränkte.
    »Nun kapiere doch endlich, daß ich nichts sage. Wenn du mich beschuldigen willst, dann schaffe Beweise herbei«, antwortete Varis schließlich übertrieben ruhig auf Wredes Fragen.
    »Ich denke, Beweise werden sich schon finden«, entgegnete Wrede knapp.
    »Und ich denke, daß dein Westover zu klein ist«, witzelte Varis.
    Wrede lächelte, obwohl er große Lust hatte, Varis mit Gewalt so lange unter Druck zu setzen, bis er alles sagte, was er wußte. In der Wohnung von Varis waren keine Hinweise auf die Morde an den Kommissaren gefunden worden. Wredewagte nicht daran zu denken, was geschehen würde, wenn Varis doch nicht schuldig war. Dann stünden sie bei den wichtigsten Ermittlungen in seiner Karriere wieder am Punkt Null. Ein Erfolg hingegen könnte seine Ernennung zum Chef der SUPO beschleunigen. Es stand viel auf dem Spiel, allmählich spürte er die Anspannung wie einen Klumpen im Magen. Er war ein großes Risiko eingegangen, als er Ketonens Stellung durch sein Gespräch mit dem Leiter der Polizeiabteilung und durch die Informationen an die Presse untergraben hatte.
    Kuurma blickte auf die Seiten, die vor ihr lagen. »Sie tun sich selbst einen Gefallen, wenn Sie über den Anschlag des ›Global Block‹ auf die Banco Bilbao reden. Es dürfte besser sein, wegen Sabotage belangt zu werden als wegen Mordes.«
    Varis reagierte nicht. Sein versteinertes Gesicht und sein starrer Blick verrieten nichts.
    Kuurma gab es auf, sollte doch Wrede den Mann weiter martern, wenn er glaubte, daß dabei etwas herauskam. Der Schotte konnte das am besten. Sie schaute Ratamo an und lächelte.
    Plötzlich schien Varis der Stille überdrüssig zu sein. »Wißt ihr überhaupt, zu welchen Schadensersatzsummen die Leute für den Anschlag auf die Banco Bilbao verurteilt werden? Kapiert ihr, welches Risiko viele Neoradikale eingehen?« Varis sagte, seine Kameraden seien bereit, ihre Zukunft und ihre Freiheit für ihre Idee aufs Spiel zu setzen. Das sei keine Schwärmerei, sondern damit bewiesen Menschen, die nun die Wahrheit gefunden hatten, ihre Überzeugung, verkündete Varis.
    »Glaubt ihr, ich hätte etwas zu verlieren? Begreift ihr denn nicht, gegen wen wir kämpfen? Gegen die Macht des Geldes und gegen die USA«, rief Varis voller Eifer. »Der American Dream ist zur vorherrschenden Philosophie der ganzen westlichen Welt geworden. Er besagt, daß alle Erfolg habenkönnen. Das ist eine vorsätzliche Lüge. In einer Gesellschaft, die auf der Konkurrenz beruht, können einfach nicht alle Menschen erfolgreich sein. So ist es, und so wird es auch immer sein.«
    Wrede reagierte abfällig auf Varis’ Enthusiasmus: »Es ist leicht, Blödsinn zu reden, wenn man nichts begründen muß.«
    Varis beugte sich auf seinem Stuhl weit vor, starrte Kuurma in die Augen und sagte, er sei sehr wohl imstande, das alles lückenlos zu begründen. Er holte tief Luft und begann: Die Verteilung des Vermögens beweise den Zweck des Kapitalismus: Die drei reichsten Menschen der Welt besäßen mehr als die am wenigsten entwickelten Staaten und deren sechshundert Millionen Einwohner. Die dreihundert reichsten Menschen der Welt hätten mehr Eigentum als das ärmste Drittel der Erdbewohner.
    Die armen Staaten seien Opfer der kapitalistischen Ausbeutung, fuhr Varis fort. Manche Entwicklungsländer hätten das Kapital ihrer Schulden als Zinsen schon mehrfach zurückgezahlt, einige sogar zehnmal. Der Schuldenerlaß für die zwanzig ärmsten Länder würde weniger kosten als ein Stealth-Bomber der US-Armee. Varis drohte seinem Publikum mit dem Finger. Der Motor der Redemaschine war warmgelaufen.
    Der Hunger würde absichtlich aufrechterhalten: In der Welt fehlte es nicht an Lebensmitteln. Täglich würden für jeden Menschen auf der Erde fast zwei Kilo erzeugt, aber ein großer Teil der Lebensmittel liege in Form von Getreidebergen in den westlichen Ländern auf Halde. Außerdem würde die Produktionskapazität niedrig gehalten, damit die Preise nicht fielen.
    Nach Varis’ Auffassung war es sonnenklar, daß die westlichen Länder der Lebensstandard der Bewohner in den Entwicklungsländern nicht interessierte. In manchen Entwicklungsländern starb alle acht Sekunden ein Kind anschmutzigem Trinkwasser, und

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