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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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ungarischen Kollegen hätten seitenweise Informationen über Peter Seppälä geschickt. Wrede bedankte sich nicht, sondern wies nur mit dem Kopf in Richtung Tür.
    Wrede überflog die Unterlagen und unterstrich einiges. Mit fast flehendem Gesichtsausdruck bat er den Chef um das Wort und begann mit einer Zusammenfassung. Peter Seppälä sei zweiunddreißig Jahre alt, werde Drina genannt und arbeite in einer kriminellen Organisation namens »Krešatik« in Budapest.
    »Beginne gefälligst mit dem Anfang«, schnauzte Ketonen.
    »Der Sohn des Belgraders Djordje Nemanja und der Finnin Maija-Liisa Seppälä wuchs in Karjalohja auf und ging dort zur Schule«, las Wrede vor. »Seine Eltern wurden Anfang der achtziger Jahre geschieden, der Vater kehrte in das damalige Jugoslawien zurück, und die Mutter blieb mit ihrem Sohn in Karjalohja.« Wrede wirkte gestreßt, er trank einen Schluck Mineralwasser und fuhr fort.
    »Peter Seppälä beendete seine Schulbildung mit dem Abschluß der Gesamtschule, er diente in der Fallschirmjägerschule von Utti, absolvierte den Kurs Nummer 196 der Reserveoffiziersschule und wurde am 8.   8.   1991 aus der Armee entlassen. Danach finden sich kaum noch Informationen über ihn, nur ein paar verstreute Kleinigkeiten: Anfang 1992 verschwand er und wurde Söldner bei den serbischen Truppen auf dem Balkan.« Wrede verteilte an seine Kollegen ein Bild Seppäläs, das man in der Matrikel der Reserveoffiziersschule gefunden hatte. »Nach Ansicht des ungarischen Sicherheitsdienstes sieht sich der Mann aber überhaupt nicht mehr ähnlich. Bei dem Angriff der kroatischen Armee auf Westslawonien im Mai 1995 hat er ein Ohr und seine linke Hand verloren.«
    »Warum sollte Seppälä Kommissare umbringen wollen und krankhafte Hinweise hinterlassen?« fragte sich Ketonen laut.
    »Wer weiß, vielleicht hat der Mann bei den Kämpfen in den Bergen des Balkans völlig den Verstand verloren.« Ratamo deutete ein paar Töne einer bekannten Melodie an und lachte dann, allein.
    Er überlegte, wie die Gedankenwelt von Peter Seppälä aussehen mochte. Seppälä hatte in seinem Leben noch radikalere Entscheidungen getroffen als Varis. Wer beschloß, freiwillig auf den Balkan in den Krieg zu ziehen, der mußte sich seiner Sache schon erschreckend sicher sein. »Vielleicht glaubt Seppälä, daß er der Sache Groß-Serbiens dient, wenn er Kommissare umbringt und gegen die EU kämpft.«
    Ketonen schüttelte den Kopf. »Das klingt weit hergeholt. Wir sollten lieber den Hintergrund des Mannes prüfen, als Vermutungen anzustellen. Irgendein Motiv muß er haben. Irgendein Ereignis muß bei Seppälä den Wunsch ausgelöst haben, sich an der EU oder den Kommissaren zu rächen.«
    Kuurma lächelte. Ketonen hatte fast wörtlich den letztenBericht von Kate Harris zitiert. Der Chef war also trotz allem auf dem laufenden, Gott sei Dank.
    Wrede schaute Ketonen mit gesenktem Kopf an und hob unsicher die Hand. »Soll ich erzählen, was wir über die Organisation ›Krešatik‹ ermittelt haben?« fragte er. Der Chef nickte.
    »Die ungarischen Kriminellen haben sich in den achtziger Jahren organisiert. Sie sind stärker geworden, als sich das Wirtschaftssystem änderte, und im Laufe des Privatisierungsprozesses an die Macht gelangt«, las Wrede aus dem Bericht des NBH vor. Heutzutage sei Budapest außerdem der Stützpunkt von fast zweihundert osteuropäischen kriminellen Organisationen. Ungarn habe schon die Amerikaner um Hilfe im Kampf gegen die organisierte Kriminalität gebeten. Daraufhin habe das FBI in Budapest eine internationale Schule für osteuropäische Polizisten gegründet. Die Yankees halfen den Behörden sogar bei der Ausarbeitung von Gesetzen gegen die organisierte Kriminalität.
    Aus dem Bericht des NBH ging hervor, daß die organisierte Kriminalität in Budapest eine hoffnungslos starke Position hatte: Etwa achtzig Prozent der Unternehmen und Banken zahlten den Gangsterligen zehn bis fünfundzwanzig Prozent ihrer Gewinne. Die kriminellen Organisationen kontrollierten einen großen Teil der ungarischen Wirtschaft: Sie überwachten die Auslieferung von Erdölerzeugnissen, Lebensmitteln und Medikamenten an die Einzelhandelsgeschäfte. Die Behörden gingen davon aus, daß etwa dreißig Prozent der ungarischen Wirtschaft zur Grauzone gehörten.
    »Laut NBH ist ›Krešatik‹ eine der effektivsten Organisationen in Budapest«, fuhr Wrede fort. »Die internationalen Operationen der ukrainischen Organisation werden mit Hilfe der

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