Finnisches Requiem
Ungarn von Budapest aus abgewickelt. Die Organisation ist auf Auftragsmorde spezialisiert. Sie setzt Fachleute der Sicherheitsdienste der ehemaligen Ostblockstaaten als Profikiller ein. Man weiß, daß sogar andere kriminelleGruppierungen bei ›Krešatik‹ Mordanschläge bestellt haben. Der Organisation ist es durch den Zusammenschluß mit der von Attila Horvát geführten Budapester Gruppe ›Csepel‹ gelungen, die ungarische Gesellschaft zu unterwandern.«
Ketonen brummte vor sich hin. Es ärgerte ihn, daß er seinen Kollegen nicht erzählen konnte, was Pichette berichtet hatte. Allmählich schien es sicher zu sein, daß die Morde irgendwie mit Ungarn zusammenhingen. Viele Details wiesen in Richtung Puszta.
»Dann gibt es hier noch eine Menge Kommentare zum Mädchenhandel von ›Krešatik‹.« Wrede schaute abwechselnd den Chef und den Bericht des NBH fragend an.
»Die soll jeder nach der Besprechung selber lesen«, meinte Ketonen nachdenklich.
Wrede sah, daß der Chef noch etwas sagen wollte, er trank einen Schluck Mineralwasser und zog seinen Westover aus dem Hosenbund.
»Es dürfte etwas glaubhafter sein, die Schuld für die Kommissarenmorde bei ›Krešatik‹ zu suchen als beim ›Global Block‹ oder Ismo Varis«, sagte Ketonen und schaute Wrede ernst an.
Wredes Gesicht war die Niederlage abzulesen. »Ich habe anscheinend vergessen zu erwähnen, daß es zwischen dem ›Global Block‹ oder Ismo Varis und Peter Seppälä oder ›Krešatik‹ keinerlei Verbindung gibt.«
»Ja, anscheinend«, knurrte Ketonen. Was zum Teufel sollte er mit seinem Stellvertreter machen? Würde er seine Mitarbeiter enttäuschen, wenn er sich für Wrede als Nachfolger einsetzte? Was, um alles in der Welt, war in den Schotten gefahren? Als er in die Ratakatu kam, galt er als beliebter Spaßvogel. Ketonen fühlte sich müde. Das Alter machte sich bemerkbar. Die Ermittlungen steckten fast noch in den Startlöchern. In den nächsten Tagen mußten sie doppelt soviel arbeiten. Wie sollte er da abends zum Rendezvous in dierichtige Stimmung kommen? In der Mittagspause hatte er nach langer Zeit mal wieder eine Kombiwette abgeschlossen, das sollte ihn aufmuntern, half aber auch nichts. Er kam sich manchmal wie ein Außenstehender vor, an dem alles irgendwie vorbeilief, es war anstrengend, neben diesen schwierigen Ermittlungen eine Art Bräutigam zu spielen. Als alter Mann.
»Erik, du wirst hier gebraucht. Riitta kümmert sich um Kate Harris und Hannele Taskinen und untersucht den Hintergrund von Peter Seppälä alias Drina. Arto ist der einzige, der nach Budapest fahren und mit Seppälä reden kann. Nach Auffassung der Koordinierungsgruppe sollte es dort einen Verbindungsmann geben, jemand, der außer den Details auch das Ganze im Auge hat und der Koordinierungsgruppe berichtet«, verkündete Ketonen im Befehlston und marschierte hinaus.
»In Budapest gibt es neue schöne Lochballplätze«, sagte Riitta zu Ratamo, obgleich sie wußte, daß der nicht Golf spielte. Aber Wrede.
»Hat nicht irgendein älterer Staatsmann gesagt, ›solange ich noch einen Ball treffe, der sich bewegt, spiele ich nicht Golf‹«, witzelte Ratamo, allerdings hörte es sich eher verhalten an. Ketonens Marschbefehl klang ihm noch in den Ohren. Es war ein eigenartiges Gefühl. Man hatte ihn schon zweimal Kriminellen hinterhergeschickt. Damals war ihm genauso zumute gewesen. Sein ganzes Leben lang hatte er Probleme geradezu angezogen, aber die Probleme von heute konnten lebensgefährlich sein.
28
In der Eckloge der Weinstube des größten Budapester Hotels, des Grand Hotel Hungaria, herrschte eine angespannte Atmosphäre. Der »Borozó« war schon am frühen Abendbrechend voll, aber die Männer von Jugović sorgten dafür, daß die anderen Gäste den beiden Männern nicht zu nahe kamen. Auf dem Tisch standen ein Krug Tokaier, der vor sich hin säuerte, und eine Flasche Slibowitz. Jugović kaute gesalzene Nüsse und wartete darauf, daß sein Geschäftspartner ein Telefongespräch beendete. Er schwitzte und zupfte am Kragen seines Polohemdes.
Zoran Jugović betrachtete sein Gegenüber: Er hatte lockige Haare, riesige Ohrläppchen und einen schwarzen Schnauzbart, der glänzte. Jakob Reimer, der Mann, der die Morde an den Kommissaren bestellt hatte, war um die Vierzig und stank nach Geld. Der Schweizer weigerte sich, seine Auftraggeber zu nennen, er verwies aber gern auf multinationale Großkonzerne und andere zahlungskräftige Kreise. Die goldenen Knöpfe an
Weitere Kostenlose Bücher