Finnisches Requiem
einmalige Entschädigung von fünf Millionen Dollar für vier Liquidierungen, die nach dem vereinbarten Zeitplan im September erfolgen. Wie du weißt, ist der vierte Mord der wichtigste. Mit ihm wird gewährleistet, daß wir unser Ziel erreichen.«
Jugović dachte über seine Lage nach. Was Reimer sagte, stimmte leider. Er hatte einen schlechten Vertrag abgeschlossen: Vor dem vierten Mord zahlte der Schweizer nur die laufenden Kosten.
»In dem Falle will ich die Hälfte des Geldes jetzt. Ich verlasse Budapest, garantiere aber, daß der vierte Mord ausgeführt wird. Hier kann ich nicht bleiben. Mir wird der Boden unter den Füßen zu heiß«, erklärte Jugović.
»Du führst die Operation entsprechend unserem Vertrag bis zu Ende, oder du bekommst gar nichts. Mir ist es völlig gleichgültig, ob du in Budapest bist oder zerstückelt im Balaton liegst. Ich …«
Reimer wurde unterbrochen, weil die Kellnerin an ihren Tisch kam. Sie hatte aus dem Hotelrestaurant tschechisches Bier geholt. Reimer mochte das dunkle Velkopopovický nicht, aber es schmeckte immer noch besser als der Tokaier oder die hiesige Gerstenbrühe. Er zeigte ein süßliches Lächeln und bedeutete dem Mädchen zu verschwinden.
Jugović warf der Kellnerin einen kurzen Blick zu und setzte sein eintrainiertes Filmstarlächeln auf. Ihm war klar, daß der Schweizer nicht nachgeben würde. Jetzt mußte er sein Gesicht wahren. Er brauchte das Geld, ohne die Dollars fehlte ihm die Grundlage für die Organisation in Belgrad. Und die Witwe Ceca dürfte kaum Interesse an einem Mann mit leeren Taschen haben.
Als Reimer das Bier kostete, änderte Jugović seine Taktik und versicherte, er werde den Vertrag einhalten, wenn Reimers Auftraggeber es nun einmal so wollten. Er habe nur versucht zu gewährleisten, daß der Plan möglichst fachkundig ausgeführt wurde. Reimer wirkte zufrieden. Sie stießen auf den Erfolg der Operation an.
Der Schweizer trank das restliche Bier aus und bat Jugović, ihm sofort mitzuteilen, wenn dem Exekutionskommandoder unwiderrufliche Befehl zur Ausführung des vierten Mordes erteilt wurde. Reimers Chef wäre dann höchst zufrieden.
29
Im »Krešatik«-Büro legte Drina den Hörer auf und rieb sich seine verstümmelte Hand. Es juckte da, wo der Daumen gewesen war. Jetzt wußte er, daß Zoran Jugović ein anderes Motiv hatte als die Verhinderung des ungarischen EU-Beitritts und die Sicherung der Zukunft von »Krešatik«. Jugović hatte ihm befohlen, Ljubo, dem Chef des Exekutionskommandos, die unwiderrufliche Anweisung zur Ausführung des vierten Mordes zu erteilen. Der Technolärm, der aus dem Pussycat-Club herüberdröhnte, störte Drina. Er schloß die Tür seines Arbeitszimmers, holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Lederjacke und zündete sich eine Drina an. Die letzte qualmte noch im Aschenbecher. Die Luft war verhangen wie in einer Rauchsauna.
Jugović war nicht bereit, die Verschiebung des nächsten Mordes auch nur in Erwägung zu ziehen, obwohl die Hinrichtung in Capri kläglich verlaufen war. Radmilo wurde mit einem gebrochenen Oberarmknochen auf einem Gehöft in Sardinien versteckt. An der Schußwunde Pastors dokterte ein Neapolitaner herum, Schüler irgendeiner veterinärmedizinischen Hochschule. Die Mitglieder des Exekutionskommandos waren nicht in der Lage gewesen, das Dorf Massa Lubrense, wo sie mit dem Boot das Ufer erreicht hatten, aus eigener Kraft zu verlassen. Sie brauchten die Hilfe der Gruppe, die sie unterstützte. Allzu viele Leute mußten sich in das Nachspiel der Ereignisse von Capri einmischen. Bald würde jemand zwei Fadenenden miteinander verknüpfen können, und dann noch ein drittes …
Es war der reinste Wahnsinn, nach dem Mißerfolg vonCapri die Morde an den Kommissaren fortzusetzen. Die Polizei hatte eine Blutprobe von zwei Mitgliedern des Exekutionskommandos und eine genaue Beschreibung von Pastors Gesicht. Über kurz oder lang würde jemand Pastor erkennen, und schon wäre ihm die Polizei auf den Fersen. Dann würde man sicherlich auch ihn überprüfen. Höchstwahrscheinlich wurde das schon getan. Die Informationsquelle von »Krešatik« im ungarischen Sicherheitsdienst NBH hatte Jugović mitgeteilt, daß die finnische Sicherheitspolizei einen Mann nach Budapest schicken wolle. Jugović war nicht verrückt, der Serbe mußte irgendeinen wichtigen Grund haben, wenn er trotz all der Mißerfolge verlangte, die Morde an den Kommissaren weiterzuführen.
Es klopfte an der Tür, ein Zigeuner
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