Finnisches Roulette
unterrichten will. Sie werden das aber kaum veröffentlichen, um bei den Menschen keine Hysterie auszulösen.« Goldstein rutschte ungeduldig auf dem Sofa hin und her. »Meinetwegen könnt ihr anfangen. Ich habe heute noch einen Abstecher nach München vor, um mir eine Immobilie anzuschauen, und in Berlin will ich meinen Freund, den Botschafter, treffen. Mein gemieteter Hubschrauber wartet etwa zwanzig Kilometer von hier im Stützpunkt Erlensee der Yankees.«
Oberst Agrons Sekretärin klopfte an und teilte mit, die ersten Gäste seien im Foyer eingetroffen.
Laura Rossi betrachtete das Logo der Helaba-Bank, des Generalmieters im Main-Tower. Mit Ratamo wartete sie im Foyer des Wolkenkratzers auf den Fahrstuhl. Beide waren nach der Eruption am Vorabend sichtlich verlegen, und keiner von beiden wollte darüber sprechen. Laura mußte über genug anderes nachdenken. Aus irgendeinem Grund glaubte sie Forsters Enthüllungen über ihre Mutter und Anna. Wie konnte die Wahrheit nur so lange verborgen geblieben sein? Ihr Telefon piepte, eine SMS. Laura las eine Nachricht von Sami. »Bin in Frankfurt. Ich rufe gleich an. GEH RAN!!!«
Laura hatte die Nachricht kaum verstanden, da klingelte schon ihr Telefon. Sie beschloß, das Gespräch anzunehmen, irgend etwas stimmte nicht, und sie konnte ihrem Mann nicht ewig ausweichen. Ihr schoß der Gedanke durch den Kopf, daß sie sich nun beide betrogen hatten. Sie drückte auf die Taste mit dem grünen Hörer und betrat nach Ratamo den Aufzug.
»Ich bin im Hotel ›Hessischer Hof‹. Gestern früh habe ich einen seltsamen Anruf bekommen. Jemand hat gefragt,ob ich die Aktien von H & S Pharma verkaufen würde, wenn ich sie von dir erbe. Ist bei dir alles in Ordnung? Ich …« Samis aufgeregte Stimme brach ab, als sich die Aufzugtüren schlossen.
»Ich rufe dich später an«, sagte Laura, obwohl keine Verbindung mehr bestand, und schaltete ihr Handy aus. Dann blockierte die fünfundvierzig Sekunden dauernde Fahrt mit dem Aufzug ihre Ohren. Oben erzählte sie Ratamo von dem Anruf, der versicherte ihr, daß sich nach der Versammlung Zeit für Sami finden würde. Laura gab sich damit zufrieden, aber der Anruf ging ihr nicht aus dem Kopf.
Ratamo wartete schon auf das Ende der Versammlung, die in Kürze beginnen sollte, er wollte an die Arbeit gehen und sich wieder mit den Ermittlungen beschäftigen. Laura wirkte energisch und enthusiastisch, das erschien ihm merkwürdig, immerhin waren seit dem Tod ihres Bruders erst zwei Tage vergangen, und ihren Ehemann erwartete wahrscheinlich eine Anklage, in der man ihm alles mögliche vorwerfen könnte. Ratamo überlegte, ob Laura die Albernheit von gestern bereute.
Die Aussicht aus dem Beratungsraum im fünfzigsten Stock warf Laura fast um. Ihr wurde schwindlig. Ein riesiger ovaler Tisch und ein in der Edelholztäfelung versenkter Projektionsfernseher beherrschten den Raum. Solche Orte waren ihr fremd.
Laura und Ratamo erhielten einen Kaffee und warteten schweigend auf die anderen Versammlungsteilnehmer. Als nächster traf Lauras Anwalt ein, der von Konrad Forster empfohlene Julius Köninger. Laura gab dem Mann die Hand und wechselte mit ihm ein paar Worte über die bevorstehenden Ereignisse, obgleich sie ihm bereits genaue Anweisungen für die Versammlung erteilt hatte. Zusammen mit Sabine Halberstam und Ehud Agron betrat auch der Anwalt der verstorbenen Anna Halberstam den Raum. OberstAgron, der als letzter kam, setzte sich auf den Platz des Vorsitzenden am Ende des Tisches, und sein junger, modisch nachlässig gekleideter Anwalt beobachtete die Anwesenden mit wichtigtuerischer Miene.
Ein kräftiger Hammerschlag Oberst Agrons eröffnete die Versammlung. »Wie wir alle wissen, sind im Zusammenhang mit den Aktien von H & S Pharma in den letzten Tagen entsetzliche Dinge geschehen. Frau Rossis Anwalt hat diese inoffizielle Zusammenkunft der Aktienbesitzer vorgeschlagen, um die Situation zu klären.« Der Gesichtsausdruck des Obersts verriet Erschütterung und zeugte von beachtlichem schauspielerischem Talent.
»Mit Betroffenheit haben wir alle vom tragischen Selbstmord Anna Halberstams und von der schlimmen Mißhandlung Konrad Forsters gehört, und darüber hinaus habe ich von meinen Mitarbeitern erfahren, daß man auch Sie in diese bedauerlichen Ereignisse hineingezogen hat.« Agrons Gesicht strahlte Mitgefühl aus, als er Laura anschaute. »Ich kann Ihnen versichern, daß ich und alle meine Mitarbeiter die Polizei bei den Ermittlungen nach
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