Finnisches Roulette
Erst Stunden später war ihm klargeworden, daß er die Aktien ja nur bekommen könnte, wenn er sie von Laura erbte. Und einen lebenden Menschen konnte man nicht beerben. Rossi fürchtete, wieder genau so eine Dummheit begangen zu haben wie damals, als er auf Konrad Forsters Vorschlag eingegangen war.
Er trank den Wodka-Cola in drei Schlucken und bestellte noch einen. Sein Selbstvertrauen erwachte, obwohl der Barkeeper ihn weiter mißtrauisch im Auge behielt wie eine tollwütige Katze. Jetzt mußte er sich zusammenreißen und versuchen, zu retten, was noch zu retten war. Er mußte endlich einmal über sich hinauswachsen und Laura helfen,bisher waren immer nur seine Schulden über sich hinausgewachsen.
Rossi verstand kaum, was in den letzten Tagen alles passiert war und warum. Eines aber begriff er immerhin: Konrad Forster hatte ihn in eine Falle gelockt und ausgenutzt. Er hatte versprochen, Forster einen Dienst zu erweisen, war dann aber in eine Situation geraten, in der er seine eigene Frau erpreßt und den Tod seines Schwagers verursacht hatte. Die Hoffnung, Laura könnte ihm verzeihen, war wohl vergeblich, aber Rossi wollte es dennoch versuchen. Eine Frau wie sie würde er nie wieder finden: Laura konnte tief in ihn hineinsehen.
Und noch etwas begriff Rossi nicht: Laura hatte doch all ihre Aktien der alten Halberstam überlassen. Wie sollte er da überhaupt etwas von seiner Frau erben? Der Anrufer hielt das jedoch für möglich. Aus den einzelnen Teilen ergab sich einfach kein sinnvolles Ganzes.
Der Barkeeper knallte den zweiten Drink vor Rossi auf den Tresen. Sami kostete gierig und spürte, wie der erste Schnaps seit einer Woche ihm rasch zu Kopfe stieg wie ein Olympiasieg. Er mußte die Ruhe bewahren: Helden verhielten sich auch in schwierigen Situationen abgeklärt. Doch er konnte nichts dagegen tun, daß er Angst vor dem hatte, was nun kommen würde. In diesem Chaos führte anscheinend letztlich alles zum Blutvergießen.
In Sicily women are more dangerous than shotguns
– die Replik aus dem »Paten« schoß ihm durch den Kopf, und allmählich glaubte Rossi selbst, daß er den Film zu oft gesehen hatte, wie Laura immer behauptete.
Er konnte sein Versprechen nicht zurücknehmen, weil er nicht wußte, wer der Anrufer gewesen war, und außerdem hatte der Mann deutlich zu verstehen gegeben, daß er Samis Antwort als unwiderruflich ansah. In eine schlimmere Sackgasse könnte man wohl kaum geraten: Wenn es ihm gelänge,seine Zusage rückgängig zu machen, wäre er selbst in Gefahr, und wenn sein Versprechen gehalten wurde, bedeutete das für Laura den Tod.
Er mußte versuchen, seine Frau zu schützen. Es war nicht verlockend, Verantwortung zu übernehmen, aber jetzt war er gezwungen, sich wie ein reifer Erwachsener zu verhalten. Sami Rossi hatte den Begriff »erwachsen sein« immer nur für etwas gehalten, womit humorlose Menschen ihren Stumpfsinn begründeten. Er trank den Schnaps aus und beschloß, die deutsche Polizei anzurufen.
53
Die BKA-Ermittlerin Inge Würth setzte sich im Beratungsraum von Oberst Agron auf den Platz, den ihr Sabine Halberstam zuwies. Sie schaute fragend zu Ratamo hinüber, erhielt als Antwort aber nur einen Blick, der verriet, wie konsterniert er war. Allein Ehud Agron schien zu wissen, was Sabine beabsichtigte.
»Da nun die Polizei anwesend ist, möchte ich Ihnen einen Gast vorstellen«, sagte Sabine. Sie hatte auf Würths Eintreffen gewartet, ohne einen Mucks von sich zu geben, obgleich Oberst Agron so laut gebrüllt hatte, daß sein Gesicht feuerrot wurde. Laura saß regungslos auf ihrem Platz und betrachtete die prächtige Landschaft. Sie hatte ihre Rolle gespielt und könnte nun bald nach Hause zurückkehren und versuchen, die anscheinend unlösbaren Probleme ihres Lebens zu klären.
Sabine bat die Versammlungsteilnehmer um einen Augenblick Geduld und verließ mit ihrem Mann den Beratungsraum. Sie gingen zu Masilo Magadla, der im Foyer der fünfzigsten Etage wartete. Der lächelnde Südafrikaner mit der Schirmmütze schaute die beiden neugierig an.
»Ich habe dich hergerufen, weil es Zeit ist, unseren Plan zu enthüllen. Wir haben gesiegt«, erklärte Ehud Agron voller Stolz.
»Nelson!« Mehr konnte Magadla vor lauter Verblüffung nicht sagen. Endlich traf er den Mann, der die Operation geplant hatte. Alle Fragen, die ihm auf der Seele lagen, und die Geheimniskrämerei Nelsons waren vergessen, als Magadla Ehud Agron voller Verehrung musterte.
»Das hier ist Nelson, meine
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