Finns Welt - 01 - Finn released
mich!«
Die beiden gucken mich an wie Elche. Dann pressen sie die Lippen zusammen, nehmen Anlauf und springen ebenfalls in den Graben.
»25 Cent zu 25 Cent zu null«, ruft Flo wenig später und hält eine Bierflasche in die Luft.
»Falsch!« Lukas streckt den Kopf aus seinem Graben. »Das sind nur 8 Cent!«
Flo schaut auf das Etikett, als könne es ihm die Antwort verraten.
»25 Cent zu 8 Cent zu 25 Cent!«, sagt Lukas und hält eine Bierdose in die Luft.
»Ach!«, blafft Flo. »Bier in der Flasche ist nur 8 Cent wert, aber Bier in der Dose, das ist was anderes?«
»Ja, genau so ist es«, sagt Lukas triumphierend. »Hast du überhaupt keine Ahnung? Wahrscheinlich nicht, du trinkst ja nur Met in alten Tavernen, wo auch Orks und Kobolde einkehren.«
Flo beugt sich in seinen Graben, kramt darin herum und wirft ein kleines Ding aus Plastik über die Straße in Lukas’ Richtung. Lukas hebt den Arm und das Ding prallt daran ab. »Ein Kamm?«, sagt Lukas, als er es aufhebt. »Du wirfst einen alten Kamm nach mir?« Flo zuckt mit den Schultern, als wolle er sagen, mehr hätte sein Waffenmenü zu diesem Zeitpunkt nicht hergegeben. Lukas verzieht das Gesicht und lässt den Kamm wieder fallen. »Bah! Da sind noch Haare drin! Fettige Haare mit Schuppen! Du bist so eine Sau, Florian Hertl! Hast du schon mal was davon gehört, dass Biowaffen verboten sind?«
Ich frage mich gerade, ob ich den beiden sagen soll, dass ich bereits für 2,15 Euro Pfand gefunden und in meinen Rucksack gesteckt habe, als ich unter einem trockenen Dornenbusch einen größeren Klumpen aus Stoff entdecke. Ich gehe näher ran. Hinter mir bewerfen sich Lukas und Flo quer über die Straße mit Bierdosen, Kleiderbügeln und Erdklumpen. Sie machen nur Pause, wenn ein Auto oder ein Fahrrad kommt.
Das Ding unter dem Busch ist ein alter Rucksack. Seine Naht ist an der Seite aufgerissen. Der Busch ist schon halb reingewachsen und seine trockenen Zweige brechen ab, als ich den Rucksack herausziehe. Ich öffne ihn und wühle darin herum. Ich greife an etwas Glattes. Das Glatte krabbelt und kitzelt. Es ist eine Schabe. Sie sieht aus wie eine Kakerlake. Aber die gibt es nur in Häusern und nicht in Gräben. Ich ziehe die Hand aus dem Rucksack, halte ihn in die Luft und kippe den Inhalt einfach auf den Boden. Eine leere Flasche, eine alte Socke, ein zermatschter Schokoriegel und eine kleine Tasche mit Reißverschluss fallen heraus. Die Schabe krabbelt eilig davon. Ich ziehe den Reißverschluss der kleinen Tasche auf und ein iPod mit Kopfhörerstöpseln fällt mir entgegen.
Hinter mir höre ich, wie Flo gerade fluchend einen alten Einkaufskorb nach Lukas wirft. Oder ein halbes Fahrrad. Es scheppert jedenfalls ziemlich laut. Ein irres Gefühl steigt in mir hoch. Nur ich weiß bis jetzt, was ich gefunden habe, aber es könnte auch alles nichts wert sein. Spannung und Vorfreude. Hoffnung. Ich wische einen der Stöpsel an meinem T-Shirt ab, stecke ihn ins Ohr und schalte das Gerät ein. Einen Moment lang passiert gar nichts, dann leuchtet das Display auf, als hätte ich einen alten Geist aus seinem Schlaf geweckt.
Die erste Wiedergabeliste heißt »Atzenmucke«. Ich öffne sie und Die Atzen grölen: »Hey, das geht ab, wir feiern die ganze Nacht!« Ich lache. Wie ein Irrer. Ich stehe auf und brülle, während aus Lukas’ Schützengraben gerade ein mit Matsch gefüllter Joghurtbecher in Richtung von Flos Deckung fliegt: »Wir feiern die ganze Nacht! D.I.E. G.A.N.Z.E. N.A.C.H.T.!!!!«
Flo und Lukas hören sofort auf, sich zu bewerfen. Wie Hasen im Feld strecken sie die Köpfe aus dem Gras. So kennen sie mich nicht. Ich gröle nie.
»Ich glaube, ich werde heute wieder aufgelevelt!«, rufe ich und halte den iPod in die Luft wie ein Jäger die Wildgans, die er vom Himmel geschossen hat.
»10 Euro für den iPod«, sagt der Gebrauchtwarenhändler Gregorius eine Stunde später in der Stadt. Hinter ihm stehen auf einem Regal alle Folgen der Fernsehserie Navy CIS als DVD-Sammlung für 200 Euro. Die Reihe ist zwei Meter lang. Sie ist der Stolz seines Ladens.
»30 Euro!«, erwidere ich entschlossen.
»Junge …«, sagt Gregorius väterlich lachend in einem Tonfall, als hätte ich behauptet, ich könne jederzeit Megan Fox rumkriegen. Flo blättert die Spiele für PC, PS3 und DS durch und tut so, als würde er nur mit halbem Ohr zuhören. Lukas hält einen alten Bildband von der WM 1990 in der Hand.
»12 Euro«, sagt der Gregorius, »mein allerletztes Wort. Das
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