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Finns Welt - 01 - Finn released

Finns Welt - 01 - Finn released

Titel: Finns Welt - 01 - Finn released Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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wäre tatsächlich der Neffe des Hausbesitzers. Ich stelle es mir so intensiv vor, dass ich daran glaube und wirklich sauer werde. Ich schaffe es, das Gefühl zu erzeugen, obwohl es nicht meines ist. Wie ein Schauspieler eben. Es fühlt sich krass an.
    »Ich finde das so unfair meiner Tante gegenüber. Sie kommen einfach her und betrügen sie mit meinem Onkel. In ihrem eigenen Haus!«
    Hoffentlich klappt das. Hoffentlich habe ich recht. Und hoffentlich merkt sie nicht, dass ich hinter dem Handtuch ein Mikro verberge. Die Frau sagt nichts. In der Hand hält sie das Sektglas. Lukas stemmt sich aus dem Pool und zieht sich leise an. Vielleicht will er die Frau mit seinen Bauchmuskeln beeindrucken. Flo ist immer noch im Wasser. Ich bleibe stehen und fuchtle herum. Nicht hektisch, sondern schon kontrolliert, eben wie jemand, der sauer ist. Und im Recht.
    »Sicher, eigentlich müsste ich auf meinen Onkel sauer sein und nicht auf Sie, aber hey, was soll ich sagen? Er ist ein Mann. Männer machen so was. Aber Sie … Scheiße, verdammt!« Jetzt tue ich so, als würde sich eine Träne in meine Wut mischen. Ich lasse meine Stimme leicht quietschen. Sehe die Frau im Nachthemd an. »Mussten Sie ausgerechnet ihn verführen?«, setze ich noch einen drauf. »Konnten Sie sich keinen anderen Mann aussuchen?«
    Sie will sich verteidigen, hebt leicht die Hand. Und wenn sie sich verteidigen will, dann heißt das, dass ich mit meiner Geschichte richtigliege! Das hier ist wirklich eine fremde Frau, die nicht hier wohnt und die eine Affäre mit dem Hausbesitzer hat! Ich habe recht! Bevor sie was sagen kann, rede ich schnell weiter. »Unter diesen Kiefern da haben meine Tante und ich gespielt, als ich noch klein war. Ich habe sie lieb, verstehen Sie? Und jetzt bricht mein Onkel ihr das Herz. Wegen Ihnen!«
    Lukas hat seinen Sender in die Hose gesteckt. Das kann ich sehen. Das kleine, weich umhüllte Mikro guckt ihm aus der Tasche. Die Frau bemerkt es nicht.
    »Junge, du bist zu jung, um …«, setzt sie zu einer Verteidigung an.
    »… um das zu verstehen?«, unterbreche ich sie giftig, aber leise, denn wir wollen ja den Onkel nicht wecken. Man muss nicht laut sein. Man muss sich nur ganz sicher sein, dass man im Recht ist und der andere in der Verteidigung. Selbst dann, wenn man improvisiert und der echte Neffe des Mannes, falls er überhaupt einen hat, weit weg ist. Ich lege das Handtuch ab, sodass das Mikro darunter liegen bleibt, ziehe mir schnell meine Sachen über und nehme mein geheimes Mikrofonhandtuch wieder in die Hand.
    »Da gibt’s nichts zu verstehen!«, gifte ich noch einmal und lege so viel Ärger in meinen Blick, wie ich nur kann. Die Frau wehrt sich nicht mehr. Sie hat ein schlechtes Gewissen.
    »Okay, okay, wir gehen«, sage ich, als wäre das nur eine Sache unseres guten Willens. Ich hebe den Rucksack auf und gehe aufs Wohnzimmer zu, mein Mikrohandtuch an die Brust gedrückt.
    »Äh, warte mal. Flo ist noch nicht so weit«, höre ich Lukas’ Stimme und drehe mich um. Er zeigt zum Rand des Pools. Es platscht dort wie in einem Robbengehege. Unser unsportlicher Freund versucht immer wieder, sich aus dem Wasser zu stemmen und auf den Füßen zu landen, aber stattdessen landet er nicht mal auf dem Bauch. Er rutscht immerfort zurück ins Wasser, geht unter, taucht wieder auf und versucht es dann noch mal. Es ist unglaublich. Es wirkt, als wolle er was sagen, aber es kommen nur komische Geräusche aus ihm heraus wie aus einem verwundeten Seelöwen. Lukas, ich und die Frau sehen uns das Schauspiel an.
    »Er nimmt wohl sonst immer die Treppe«, merkt Lukas an.
    »Es hätte so ein schöner Abgang werden können«, seufze ich.
    »Vielleicht wartet er darauf, dass jemand mit Heringen schmeißt.«
    »Na komm«, sage ich, gehe mit Lukas zum Rand und schon ziehen wir unseren hilflosen Seehund aus dem Wasser. Er kramt seine Kleider aus meinem Rucksack und zieht sich schnell verschämt an, indem er der versteckten Kamera den Rücken zudreht. Als er fertig ist, gehen wir mitten durch die Villa. Die Frau folgt uns wortlos. Neben der Vordertür ist ein kleines Gästeklo. Ich fühle mich so gut, dass ich überlege, hier auch noch pinkeln zu gehen. Lukas kann meine Gedanken lesen und schubst mich nach vorne. Tür auf, dann hat das Haus uns auch schon ausgespuckt und wir stehen im Vorgarten.
    Die Villa steht am Ende eines Wendehammers. Vor uns erstreckt sich nur glatter, wunderbarer Asphalt ohne ein einziges Hindernis, rechts und links davon

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