Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finns Welt - 02 - Finn reloaded

Finns Welt - 02 - Finn reloaded

Titel: Finns Welt - 02 - Finn reloaded Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
Vom Netzwerk:
meinetwegen. Und MASCULINITY ist die Männlichkeit allgemein. Nur Kraft allein reicht da nicht. Der Junge muss auch gut aussehen. Nicht mit Buckel rumlaufen, als sei der Rucksack zu schwer. Nett sein zu seiner Freundin und nicht nett zu allen, die nicht nett zu ihr sind.« Jetzt drückt sie Lukas’ Hand und lächelt. Das kann er wohl.
    »Warum gilt die Skala nur für Männer?«, fragt Flo.
    »Weil ihr mich gefragt habt. Ich stehe nun mal nur auf Jungs. Und außerdem, weil es sonst keine vier Ms wären. Bei den Frauen müsste der gleiche Wert dann FEMININITY heißen.«
    »Also, mein Vater hat dann als Dachdeckerchef bei MECHANICS 10 von 10, aber bei MOOD höchstens 5 von 10. Er brüllt voll rum, wenn auf der Baustelle irgendwas schiefläuft.«
    »Deine Mutter hat aber 10 von 10 bei MOOD«, sagt Flo. »Die brüllt nie rum, selbst wenn deine kleinen Geschwister das ganze Haus auseinandernehmen.«
    Oben an der Treppe erscheint meine Mutter mit einem großen silbernen Tablett voller kleiner Lachsbrote. Mein Vater, der gerade mit Gästen plaudert, bemerkt sie. Ich weiß genau, was jetzt passiert. Als Figuren im Spiel der Wirklichkeit sind die eigenen Eltern sehr berechenbar.
    »Jetzt schaut genau hin«, sage ich und zeige zur Treppe. »Mein Vater wird meiner Mutter jetzt das Tablett abnehmen, weil er höflich ist. Ein Gentleman. Viel MASCULINITY. Das Problem ist nur: Er kann nichts tragen. Er hat überhaupt keine Balance in den Fingern.«
    Vivien, Lukas und Flo schauen zur Treppe. Mein Vater geht meiner Mutter entgegen und greift nach dem Tablett. Sie hält es höher, wie einen Ball, den man einem Kind gerade nicht geben will. Sie kennt meinen Papa. Er nimmt es ihr trotzdem ab. Schließlich will er vor all den Leuten nicht als Macho dastehen, der seine Frau die ganze Bewirtung der Gäste alleine machen lässt. Meine Mutter seufzt. Papa nimmt das Tablett. Der junge Zeitungsmann fotografiert ihn, wie er nun mit den Lachsbroten die Treppe runtersteigt. Mein Vater lächelt ihm zu. Und das ist schon zu viel. Lächeln und Tragen gleichzeitig – das hält Papas Hirn nicht aus. Für eine Sekunde tanzt das Tablett noch auf seinen Fingerspitzen, dann segelt es los, scheppert auf die Stufen und lässt vierzig kleine Lachsbrote in die Höhe schießen und wie Flummis durch den Raum titschen. Ein paar rosa Scheiben lösen sich und bleiben an den Wänden kleben.
    Lukas lacht Tränen. »1 von 10 bei MECHANICS, würde ich sagen!« Vivien läuft zu meiner Mutter und hilft ihr, mit meinem Vater die Brote aufzusammeln.
    »Väter, was?«, grölt Lukas weiter, »das sind schon manchmal lustige Vögel! Flo, alter Druide, sag doch auch mal was dazu!« Lukas knufft unserem Freund, der ganz still geworden ist, an die Schulter. Ich meine, klar, man muss nicht unbedingt über segelnde Lachsbrote lachen, aber ein kleines Missgeschick ist auch kein Grund, vor lauter Mitleid depressiv zu werden.
    »Boah!«, meckert Flo und rennt raus. Lukas sieht mich an. Wir verstehen uns wortlos. Wir laufen an den Lachsbrote aufsammelnden Leuten vorbei die Treppe hinauf, verlassen das Haus und sehen, wie Flo gegenüber im Garten verschwindet. Das Haus von ihm und seiner Mutter Sophia steht unserem genau gegenüber. Lukas wohnt links nebenan. Unsere Zimmer liegen alle im Obergeschoss zur Straße raus. Sie sind nah genug, dass man sich mit viel Schwung Sachen zuwerfen kann. Würde man die Fenster mit Seilen verbinden, bekäme man ein schönes Dreieck, das man vielleicht sogar auf Google Earth sehen könnte.
    »Warte mal!«, ruft Lukas. Mit seinen langen Fußballerbeinen holt er Flo schnell ein. Der ist am hinteren Ende des Gartens angekommen. Große Kiefern begrenzen dort das Gelände. Rechts stehen zwei alte Birnbäume. Links in der Mitte schwimmen Fische in einem Teich. Goldfische mit Schleierschwänzen und Elritzen. Diese flachen, langen Gesellen, die als Babys wie ein winziger dünner Strich mit Augen aussehen. Vor einer Kiefer steht der Anfang eines Baumhauses, ein halbes Gerüst. Vier große Stelzen, zwei vor dem Baum und zwei dahinter. Man müsste Bohlen dazwischen anbringen, die in der Mitte um den Baum herumführen und die Bretter für den Boden tragen. Dann kämen die Wände, ein Dach, eine Leiter, eine Rutsche vielleicht und unter dem Boden eine Hängematte oder stabile Seile. Was auch immer. Man kann es sich nur vorstellen, denn es sind erst zwei Bretter genagelt, welche die Stelzen miteinander verbinden. Es sieht aus wie ein Skelett aus Holz, auf dem sich

Weitere Kostenlose Bücher