Finns Welt - 02 - Finn reloaded
»Letztes Wochenende, in der Bundesliga, Leverkusen gegen Gladbach. Haben Sie das gesehen? Da hatte Simon Rolfes genau die gleiche Chance. Torwart zu weit vorne, Ecke frei. Und was war? Er hat es nicht gesehen! Ihr Sohn aber hat es gesehen. Und Simon Rolfes ist Nationalspieler.«
Stefan Lindner schaut rüber zu meinem Vater, zeigt auf Heiner und sagt: »Klaus! Der Mann hier hat Ahnung von Fußball. Aber er siezt uns immer noch. Bring mal Getränke, damit sich das ändert.«
Mein Papa bringt Bier für sich und Stefan und Cola für Vivien, mich und Flo. Wir stoßen an. »Ich heiße Stefan«, sagt Lukas’ Vater zu Heiner.
»Und ich heiße Klaus!«, sagt mein Vater.
»Heiner«, sagt Heiner.
»Scheiße!«, sage ich, denn auf dem Platz ist nach einem Doppelpass blitzschnell ein Tor für die Gegner gefallen.
»Mist!«, schimpft Stefan.
»Nicht aufregen, anfeuern!«, sagt Heiner und ruft gemeinsam mit uns ein paar Motivationschöre Richtung Rasen. Jetzt fängt auch er an, auf die Bande zu trommeln. Lukas’ Team greift nach dem Anpfiff sofort wieder an. Mehmet dribbelt sich an zwei Gegnern vorbei und passt auf Lukas. Der läuft alleine auf den Torwart zu und schießt ihm genau in die Arme.
»Den hätte Simon Rolfes allerdings reingemacht«, nörgelt Stefan.
»Lukas ist nervös«, entschuldigt Heiner.
»Das muss er auch sein«, sagt Stefan. »Er will wirklich Profi werden. Nächste Saison spätestens kommen die Scouts. Entscheidungen werden getroffen. Das geht jetzt ruck, zuck.« Heiner legt einen Arm auf die Bande und fixiert Stefan von schräg unten mit seinen meerblauen Augen. Es sieht aus, als wenn in ihnen frische Gischt aufbrandet. »Umso wichtiger, dass Lukas befreit aufspielt, Stefan! Mit Spaß an der Sache! Wenn man die Freude verliert, verliert man auch die Fähigkeiten.«
Die Gegner bekommen nach einem Foul einen Freistoß zugesprochen. Der Schütze hebt ihn über die Mauer und versenkt ihn zum 2:0. »Buhhh!!!«, quäkt Lukas’ kleiner Bruder über die Bande und wirft den roten Spielzeugball dagegen. »Alex!«, ermahnt ihn Stefan, doch Heiner beschwichtigt: »Lass ihn, er macht das richtig. Wir sind hier auf einem Fußballplatz!«
Heiner berührt mit Daumen und Zeigefinger sein Kinn und dreht die Augen nach links oben. »Ich weiß, was Lukas und die Mannschaft brauchen, wenn sie das Spiel heute noch drehen wollen. Hier, nimm.« Er drückt Stefan seine Bierflasche in die Hand, von der er bisher nur einen einzigen Schluck genommen hat. »Ich hole jetzt Stimmung ins Haus.«
»Wie, Stimmung?«, fragt Stefan.
»Von meinem Arbeitsplatz, dem Hotel. Zur zweiten Halbzeit bin ich wieder da.«
»Darf ich mitkommen?«, frage ich. Es rutscht mir schneller heraus, als ich es bewusst denken kann. Ich bin neugierig. Ich will Heiners Hotel sehen. Ich will wissen, wo er arbeitet. Wo sein Stadion ist, sozusagen.
»Flo, willst du auch mit?«
»Ich bleibe hier und feuere weiter an, bis die Verstärkung eintrifft.«
»Darf ich?«, frage ich meinen Vater. Der sieht zu meiner Mutter. Sie nickt. Heiner und ich laufen los zum Ausgang. Ich höre noch, wie Stefan zu meinem Vater sagt: »Was für ein verrückter Hund, dieser Heiner!«
Wir brauchen zwanzig Minuten bis raus an den Fluss, wo das Hotel steht. Mein Vater würde mit dem Kombi mindestens dreißig brauchen, aber Heiner fährt einen Pick-up-Truck mit großen Rädern, lautem Motor und scheinbar ohne Bremse. Er beherrscht das Monster wie ein Drachenreiter seine Riesenechse. Seit ich ihn kenne, suche ich nach Gründen, ihm in MECHANICS erst mal nur 9 von 10 Punkten zu geben, damit noch Luft nach oben bleibt. Ich finde keine. Nun auch nicht beim Autofahren. Die Reifen knirschen auf Kies, als wir ankommen. Unten an der Promenade spazieren Menschen mit ihren Hunden. Wellen plätschern. Ein Tanker tutet. Auf einem Hügel mit bester Aussicht steht das Hotel, in dem Heiner arbeitet. Es hat vier Sterne und einen Brunnen aus Marmor im Foyer. Die Bar ist so lang wie unser Haus. Unendlich viele Flaschen und Gläser. Heiner arbeitet hier von abends bis nachts. Deswegen kann er tagsüber Gartenteiche reparieren, Mäuse verjagen oder, wie jetzt, Fans besorgen. Er macht einfach immer, was gemacht werden muss. Das Spiel des Lebens stellt ihm eine neue kleine Mission und er klickt immer auf »akzeptieren« und nimmt sie einfach an. Das ist großartig. Gerade spricht er mit seinem Chef, dem Boss des ganzen Hotels. Der Boss spricht etwas in sein Handy und ein junger Mann kommt
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