Finns Welt - 02 - Finn reloaded
er auf der Fahrerseite einsteigt. Wir erschrecken fast, da wir geglaubt haben, er würde nicht auf uns achten. Ich glaube aber, er achtet auf alles. Wie ich. Besser als ich. Lukas sagt, Heiner beim Arbeiten zuzusehen wäre so, wie Messi beim Fußballspielen zu bewundern? Ich finde, das trifft es nur fast. Heiner beim Leben zuzusehen ist schon so, wie Messi beim Spielen zu bewundern. Messi hat Spielfreude. Heiner hat Lebensfreude. Er winkt uns zu und wir winken zurück.
Nachher müssen wir besser sein. Viel besser. Nachher, wenn wir ihn und Sophia wieder beobachten. Nicht aus einem Fenster heraus nach draußen, sondern durch ein Fenster hinein nach drinnen. Zum Hagedorns sind es dreißig Minuten. Kaum ist Heiners Wagen abgebogen, laufen wir aus dem Haus und schwingen uns auf die Räder. Hinter der Villa von Dr. Feldhoff stoßen ein paar Trolle hervor, wackeln über die Straße und schießen Fotos von Sophias Haus.
Neunzig Minuten später hocken wir hinter dem Fenster des Restaurants wie die Mauermännchen, die man auf Zettel zeichnet. Die Blumenkästen sind mit Stiefmütterchen bepflanzt. Sie tarnen uns gut, während wir zwischen den Blüten hindurch nach drinnen linsen und den Tisch beobachten, an dem Heiner und Sophia sitzen.
»Leck mich am Arsch, der macht ja wirklich alles richtig«, sagt Lukas so sensibel, wie Fußballer es eben ausdrücken. Aber er hat recht. Seit einer Stunde beobachten wir sie nun schon und Heiner benimmt sich wie ein Gentleman aus einem ganz alten Film, wo die Herren schon mit fünfundzwanzig aussehen wie scheintot und Damen in Seidenhandschuhen die Hand küssen. Das Essen ist längst vorüber und sie trinken einen Espresso. Vor einer Viertelstunde erhob sich Sophia, weil sie zur Toilette musste. Heiner sprang auf, zog wie ein Butler Sophias Stuhl und öffnete ihr die Zwischentüre zwischen Speiseraum und Flur. Er lächelte dabei und seine Körperhaltung war immer so klar und entschlossen, als würde er in diesem Augenblick an nichts anderes denken, als möglichst vollendet einen Stuhl zurückzuziehen oder eine Tür aufzuhalten. MASCULINITY? 10 von 10.
»Das ist super«, sage ich hinter den Blumen und ein rotes Stiefmütterchen kitzelt mir an der Stirn. »Ich meine, mal ehrlich. Mein Vater ist Drucker, ein kultivierter Mensch. Aber selbst er denkt nicht immer daran, meiner Mutter die Tür aufzuhalten. Er stürmt einfach aus dem Restaurant und dann, wenn er schon in der Tür ist, fällt ihm wieder ein, dass man die Dame vorlässt. Er dreht sich abrupt herum, hält die Tür mit dem Rücken auf und lässt meine Mutter vorbei. Die kichert dann, so nach dem Motto: Ist schon gut, Klaus. Der gute Wille zählt.«
»Ja, und bei meinem Papa kannst du froh sein, wenn er beim Essen den Ellbogen nicht auf den Tisch legt«, sagt Lukas.
Flo erinnert uns: »Heiner ist Barchef in dem teuren Hotel am Fluss. Das hat er uns doch erzählt, beim Arbeiten. Er hat Hotelfachmann gelernt. Da weiß man so was alles.«
»Ja«, sage ich, »aber das kommt nicht nur von der Ausbildung. Er hat schließlich auch keine Ausbildung in Botanik oder Mäusebiologie oder Teichbau. Aber das kann er auch blind. Das ist so cool.«
»Dir ist aber schon klar, dass Sophia sich in ihn verlieben soll und nicht du?«, sagt Lukas. Ich rupfe ein Stiefmütterchen aus und zwirbele es ihm über den Schädel. »Ey!«, schimpft Lukas, »willst du, dass wir auffallen?«
»Wisst ihr, was ich in der Küche gefunden habe?«, sagt Flo.
»Nö.«
»Einen Einkaufszettel, von Heiner. Er hat sich Notizen für den Baustoffmarkt gemacht. Holz. Bretter. Schrauben. Seile. Alles Mögliche. Materialien, um das Baumhaus weiterzubauen. Hab ich gefunden, als ich Wasser geholt habe, beim Arbeiten.«
»Das ist großartig«, sage ich und die Jungs sehen mich fragend an. »Na ja«, setze ich hinzu, »normalerweise, wenn solche Männer eine Frau wollen, dann sind die Kinder doch nur ein lästiger Anhang. Klar, sie kaufen dann Geschenke und so, um sich einzuschleimen. Aber Heiner hat den Zettel für Baumhausmaterial zu einem Zeitpunkt geschrieben, als er noch gar nicht wusste, ob Sophia seine Einladung annimmt oder ihm einen Korb gibt.«
»Da hat Finn recht«, sagt Lukas, »das ist wirklich stark.«
»Er will einfach mit dir das Baumhaus weiterbauen«, sage ich. »Weil es nicht fertig ist. Weil er Bock darauf hat. Auf Sophia. Und auf ihren Sohn. Und weil er Bock aufs Leben hat. Das ist genau das, was ich euch immer sage! Leben und so. Nicht nur Fußball
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