Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Pfefferminze.«
Sophia nimmt als Erstes ein Glas, trinkt und schließt die Augen, als flöge sie über einsame Inseln. »Ich liebe frische Pfefferminze«, seufzt sie. Auf dem Bildschirm rumst und rappelt es. Der Soundtrack klingt, als stünde ein Orchester auf dem Parkett.
»Männer brauchen immer Kampf und Lärm«, sagt meine Mutter.
»Ja«, bekräftigt Anja Lindner. »Wie heute Nachmittag, was, Lukas? Ganze Horden aus Asien! Nur, um dich anzufeuern!«
»Das war unglaublich!«, murmelt Lukas. Man hört ihn nicht richtig, denn er ist zurzeit unter seinen tobenden Geschwistern begraben.
Sophia nimmt ihr Glas von den Lippen und öffnet so bedächtig die Augen, wie morgens am Horizont über den Äckern schimmernd die Sonne aufgeht. »Wenn es nur Frauen auf der Welt gäbe, wären überall putzige Cafés. Kleine Galerien in Gassen aus Kopfsteinpflaster. Und alles würde man mit Worten regeln. Wenn es nur Männer gäbe, wäre die Welt eine karge Wüste, in der Jeeps mit aufgeschraubten Maschinengewehren rumfahren und sich gegenseitig beschießen. Vorher brüllen sie natürlich rum.«
»Und sie spucken, bevor sie ballern«, fügt Vivien hinzu. »Sie ziehen das so gurgelnd hoch und …«
Sophia legt den Kopf nach hinten und hebt ihre Hand wie einen Halm aus Bambus. »Vivien, bitte, nicht näher beschreiben!«
»Männer brauchen das«, sagt Stefan Lindner und nimmt von Heiner ein frisch gezapftes Bier entgegen. »Das versteht ihr nicht.«
»Also, Maschinengewehre brauche ich nicht«, sagt mein Vater. »Ich bin ein Mann des Wortes.«
»Keine Maschinengewehre«, sagt Heiner und setzt sich zu uns. »Darin sind wir uns einig. Aber Fußbälle. Stollen im Gras. Blaue Flecken. Hammer und Nägel. Echtes Holz.« Er spricht so saftig und kraftvoll wie einer dieser Erzähler in alten Abenteuerfilmen. »Männer brauchen Freiheit und Abenteuer.« Wie recht er hat.
Stefan Lindner klopft auf den Tisch. »Was haltet ihr davon, wenn wir Männer am nächsten Wochenende zelten gehen? So richtig? Im Wald? Lukas, nächsten Sonntag ist spielfrei. Finn? Flo? Klaus? Von Samstag auf Sonntag? Nur wir Kerle? Reines Männerwochenende?« Er beugt sich zu Vivien. »Falls ich dir meinen Sohn für einen Tag entführen darf.«
Vivien wedelt mit der Hand, als sei das für sie doch kein Problem. Flo strahlt. Zuletzt war er mit Wolfgang zelten. Lukas und ich haben das mit unseren Vätern auch noch nie gemacht. Auf dem Campingplatz, das schon. Aber mitten im Wald, ohne Erlaubnis? Ich glaube, es liegt nur an Heiner, dass Stefan überhaupt auf diese Idee kommt. Ich sage es ja – mit ihm bekommt man Lust darauf, echte Dinge zu tun.
Männersachen.
»Bin dabei!«, sagt Heiner.
»Ich muss gucken, wie viele Druckaufträge da sind«, sagt mein Vater.
»Papa!«, sage ich. »Denk an die Hollywoodfilme! Da ist das Wichtigste immer, dass der Vater irgendwann mit dem Sohn in den Bergen angeln geht. Oder zelten. Bären jagen. Und wenn er das nie macht, weil er sich nicht die Zeit nimmt, gerät sein Sohn auf die schiefe Bahn und wird später ein Gangsterboss.«
Meine Mutter lacht.
»Also gut«, sagt mein Vater. »Ihr habt ja recht. Aber es werden keine Bären gejagt.«
»Darf ich auch mit?«, quengelt Alex. Er und Venja lassen endlich von ihrem Bruder ab. Lukas rappelt sich von den Dielen auf. Er sieht ramponierter aus als nach zehn schweren Fouls. Seine Geschwister sind gnadenlos. Immer wieder haben sie ihre winzigen Fäuste in ihn eingetrieben. Man muss das hinnehmen. Dazu sind kleine Geschwister da. Das ist Naturgesetz.
»Nur die großen Jungs«, sagt Stefan, »du kommst später dran, Alex!«
»Ich muss Pipi!«, sagt Venja und rennt zum Klo. Sie kennt den Weg bereits. Das Bad hat uns Heiner beim Rundgang durch die Wohnung direkt zu Anfang gezeigt. Es ist der Wahnsinn. Das Klo hängt elegant in der Wand aus Marmor. Alles in dem Bad ist aus Marmor! Die Dusche mit dem Regenwaldduschkopf. Die Badewanne mit Whirlpooldüsen. Man kann offensichtlich eine Menge Geld verdienen als Barchef.
Venja vergisst, beim Pinkeln die Türe zu schließen und wir hören es bis hierher plätschern. Dann drückt sie auf die Spülung und flüchtet kreischend aus dem Bad, da mit einem Mal ein monströser Lärm aus der Wand kommt. Es klingt, als sei dort seit Jahrhunderten eine Bestie eingeschlossen, die jetzt, beim Abziehen, mit Wahnsinn in den Augen an den Wasserrohren rüttelt. Venja kreischt ohne Pause durch, bis sie in den Arm ihres Vaters springt.
Sophia sieht Heiner an,
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