Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Uropa hieß noch Adolf?«, fragt Lukas. »Mein lieber Schwan.«
»Seht ihr«, sage ich. »Es ist egal, wen du nimmst. Das Internet ist wie eine gigantische, intelligente Wurzel. Sie wächst und wächst rund um die Erde und kriegt mit ihren feinen Enden jeden echten Menschen zu fassen.«
»Was soll denn heißen jeden echten Menschen?«, schimpft Flo. »Ist Heiner nur eine Einbildung, oder was?«
»Nein, aber irgendwas stimmt nicht mit seinem Namen.«
»Warum sollte er einen falschen Namen haben?«
»Weiß ich doch nicht. Sag du’s mir!«
»Du hast sie doch nicht mehr alle.«
Flo baut sich vor mir auf. Es ist sein Zimmer. Ich sollte ihm von dem Telefonat erzählen, das ich auf dem Klo mitgehört habe, aber ich kann nicht. Ich weiß doch auch nicht, was ich denken soll. Vielleicht hat meine Mutter recht und ich habe einfach nur viel zu viel Fantasie. Flo hat einen neuen Vater, der ein Baumhaus baut, einen Pick-up fährt und im Wald Feuer machen kann. Nur das zählt.
Ich lege die Finger wieder auf die Tastatur.
»Jetzt lass den Scheiß!«, fordert Flo mich auf.
Ich surfe zu der Seite, auf der man durch die Erde bohren kann und gebe den Rechner frei. Flo setzt sich, kapiert das Programm in Sekunden, bohrt das Loch und grinst so breit wie der Kater aus Alice im Wunderland. Langsam dreht er sich im Schreibtischstuhl um und sagt: »Seht ihr. Mein Stiefvater hatte doch recht!«
DIE ERHABENE ZAHL
In den kommenden Tagen kann ich an nichts anderes mehr denken als an Heiners komisches Telefonat. Normalerweise beurteile ich Menschen in Sekunden. Ich sehe ihr Haus, ihre Kleidung, ihre Körperhaltung oder das Zeug in ihrer Garage und ich weiß, wer sie sind. Heiner begeisterte mich. Von Anfang an. Ich kann mich doch nicht so sehr irren! Ich doch nicht!!! Aber er hat gesagt, was er gesagt hat: »Ich bin drin. « Wer sagt so was? Geheimagenten sagen das, aber was hätte ein Undercoveragent bei Sophia zu suchen? Es gibt Kronzeugen, die ihre Namen ändern, eine andere Identität kriegen und danach irgendwo ein neues Leben anfangen. Aber die rufen niemanden mehr an, der von ihrem alten Leben weiß. Also beobachte ich. Baue das Baumhaus mit. Lasse mir nichts anmerken. Heiner zimmert, Heiner lacht, Heiner backt Brot. Er geht mit Sophia um wie mit einem zarten Juwel und er ist für Flo da, jeden Tag. Ich rede mir ein, dass ich den Aufenthalt in Sophias Bad und das Telefonat nur geträumt habe, aber es klappt nicht. Heiner hat gesagt, was er gesagt hat.
Jetzt ist es Mittag. Heiner und Sophia sind vor ein paar Minuten gefahren. Sie gehen spazieren, am Fluss, Tanker und Möwen gucken. Lukas und ich klopfen bei Flo, aber dieses Mal freuen wir uns nicht auf den Besuch, denn unsere Väter stehen in den Haustüren gegenüber und warten darauf, dass wir reingehen. Sie haben uns dazu verdonnert, bei unserem eigenen Freund Nachhilfe in Mathe zu nehmen!
»Das ist demütigend«, sagt Lukas.
»Du musst das sportlich sehen«, antworte ich. »Fändest du es demütigend, wenn Mario Götze dir was über Fußball beibringt?«
»Nö.«
»Siehst du? Flo ist der Mario Götze der Mathematik.«
Flo öffnet die Tür und winkt unseren Vätern. Auf dem Weg nach oben in sein Zimmer hebt er eine zusammengeknüllte Socke auf.
»Moment mal«, sage ich und nehme ihm das Ding aus der Hand. Ich ziehe die Socke lang. Sie hat mindestens die Größe 45. »Die ist nicht von dir«, sage ich.
Flo nimmt sie mir wieder ab und stapft ins Bad, um sie dort in den Wäschekorb zu werfen. Es ist wirklich ein geflochtener Korb. Er knistert, wenn man ihn öffnet. Der Klodeckel steht offen. Flo schließt ihn schnell.
»Und das kannst du auch nicht gewesen sein, denn du machst den Deckel immer runter.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil du immer alles zu Ende machst. Du wirst ja schon wahnsinnig, wenn eine CD-Hülle offen rumliegt.«
»Ich muss euch Logiklegasthenikern jetzt Mathe beibringen«, sagt Flo, verlässt das Bad und stapft die Treppe hoch. Er stellt sich vor den Schreibtisch wie ein Lehrer und schlägt unsere miserablen Arbeiten auf. »Also«, sagt er, »Aufgabe eins: Vereinfache die Terme. – 4s + 8t + t – 10s – 5t. Die Lösung lautet: – 14s + 4t. Und ihr habt …« Flo blättert und schaut in die Hefte. Dann hebt er den Kopf und grinst. »Wie kommt ihr auf solche Lösungen?« Er sieht uns an, wie Lukas ihn ansah, als er gefragt hat, warum nicht jede deutsche Landeshauptstadt automatisch in der Bundesliga spielt.
»Weil wir nicht
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