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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Böschung.
    »Lass uns unter die Brücke gehen«, sagte sie. »Da sieht uns niemand.«
    »Und was ist mit den Trollen?«, fragte ich.
    »Die können mich mal.«
    Ich lachte. »Gut. Auf geht’s.«

19
    Der Abhang war steil und rutschig. Auf dem Weg nach unten ließ Eileen meine Hand los und streckte die Arme aus, um besser Gleichgewicht halten zu können. Ich dachte an ihre vom BH befreiten Brüste unter dem Hemd. Nicht, dass ich viel sehen konnte; die stämmigen Bäume, die über uns aufragten, hielten das Licht ab, und Eileen war nur ein verschwommener Umriss mit Handtasche.
    Am Fuß der Böschung folgten wir vorsichtig dem Flusslauf. Wir gingen durch die Dunkelheit, aber vor uns leuchtete das blasse Licht der Laternen auf der Brücke. Ein paarmal hörte ich Autos vorbeifahren. Ich konnte weder Fahrzeuge noch die Brücke erkennen.
    Doch bald tauchte die Brücke zwischen den Ästen auf. Es war die Division-Street-Brücke mit ihrer niedrigen Steinbrüstung, an der Holly und ich oft stehen geblieben waren und auf den Fluss hinuntergeblickt hatten.
    Denk nicht wieder an Holly, sagte ich mir.
    Zum Teufel mit ihr.

    Zumindest waren wir niemals zusammen unter der Brücke gewesen. Ich hatte es gewollt. Eines Nachts, als ich Holly zurück zum Wohnheim brachte, hatten wir wie beinahe immer auf der Brücke verweilt, und ich hatte gefragt: »Warst du schon mal da unten?«
    »Nein. Du?«
    »Nur einmal.«
    »Und, wie war’s?«
    »Schön und einsam.«
    Sie hatte mich angesehen. »Wirklich?«
    »Willst du runtergehen und es dir anschauen?«
    »Jetzt?«
    »Was du heute kannst besorgen …«
    »Es ist fast Mitternacht.«
    »Es gibt keinen schöneren Zeitpunkt.«
    » Ich gehe nicht da runter.« Lächelnd hatte sie hinzugefügt: »Unter Brücken leben Trolle.«
    »Nicht unter dieser. Die ist trollfrei.«
    »Sagst du.«
    »Ich könnte vorgehen und mich umsehen.«
    »Nein, lieber nicht. Was, wenn sie dich schnappen? Dann bin ich hier oben allein, während die Trolle dich als Mitternachtssnack verspeisen. Nein danke.«
    »Dann komm mit runter.«
    »Nein, nein, nein, nein.«
    »Wo bleibt deine Abenteuerlust?«
    »Die geht nicht so weit, um Mitternacht unter Brücken herumzuschleichen. Im Ernst. Wer weiß, wer da unten ist.«
    »Tja, okay.«

    In jener Nacht war ich enttäuscht gewesen, aber nun war ich froh, dass Holly sich nicht mit mir unter die Brücke gewagt hatte. Es war einer der wenigen Orte, an denen ich nicht mit ihr gewesen war.
    Doch während Eileen und ich uns der Brücke näherten, sah ich, wie dunkel es darunter war.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist«, sagte ich. »Es könnte gefährlich sein.«
    Eileen blieb stehen, drehte sich halb zu mir und streckte die Hand aus. Ich nahm sie. Sie sagte nichts, drückte nur meine Hand und hielt sie fest, als sie weiterging.
    Ein Auto fuhr über die Brücke, die Reifen zischten über den Asphalt, der Motor röhrte, und aus dem Radio wummerten die Bässe so laut, dass ich das bumm-bumm-bumm in meiner Brust spüren konnte. Ich blickte auf, konnte den Wagen aber nicht sehen. Die Geräusche entfernten sich.
    »Warst du schon mal hier unten?«, fragte ich.
    »Nachts noch nie.«
    »Ich auch nicht.«
    »Gut«, sagte sie. »Dann ist es für uns beide das erste Mal.«
    Wir wollten gerade einen unbewachsenen Uferstreifen überqueren, als Eileen plötzlich stehen blieb. Ihr Rücken versteifte sich. Mit der rechten Hand zeigte sie zur Brücke hinauf.
    Ein Mädchen blieb ungefähr in der Mitte der Brücke stehen und lehnte sich über die Brüstung. Einen Augenblick später tauchte neben ihr ein Junge auf. Er beugte sich ebenfalls über die niedrige Mauer. Beide blickten zum Fluss hinab … und zu uns.

    Ich war ziemlich sicher, dass sie uns nicht sehen konnten. Nicht, wenn wir an Ort und Stelle blieben. Aber sie würden uns wahrscheinlich entdecken, wenn wir weitergingen.
    Das Mädchen wandte sich dem Jungen zu. Er drehte sein Gesicht in ihre Richtung und legte einen Arm um sie. Dann küssten sie sich. Sie küssten sich lange, als spielte nichts sonst auf der Welt eine Rolle. Ich wusste genau, wie sich das anfühlte. Es machte mich traurig. Nicht nur für mich, auch für sie.
    Eileen und ich standen reglos in der Dunkelheit und beobachteten sie.
    Ein Auto fuhr vorbei, aber es störte das Paar nicht.
    Schließlich richteten sie sich von der Brüstung auf, umarmten sich im Stehen und küssten sich erneut.
    »Okay«, flüsterte Eileen.
    Wir eilten weiter.
    Der Fluss war

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