Finstere Gründe
geändert hatte, seit Morse den Fall bearbeitete: Spuren, Autos, Leichen — warum hatte er nichts gefunden? Aber es war wirklich merkwürdig: Morse war von Wytham besessen gewesen, und er, Johnson, von Blenheim. Und nach der Aussage, die Hardinge gemacht hatte, hatten sie beide von Anfang an recht gehabt. Er rief über das Haustelefon Morses Büro an, erfuhr aber, daß er gerade das Haus verlassen hatte, mit Lewis, ohne Angabe seines Ziels.
Blenheim! Johnson fand die Hochglanzbroschüre über Blenheim Palace noch immer bei seinen Unterlagen, und er sah sich die Karte vom Haus und dem Grundstück an. Da war er — der See! Der Fluß Glyme floß von Osten in das Grundstück, zuerst in den Queen Pool, dann unter Vanbrugh’s Grand Bridge hindurch in den See dahinter. Er sei etwas über 80 Hektar groß, hatte man ihm gesagt, als er zum erstenmal die Frage anschnitt, ob man die Seen absuchen sollte. Es war ein zu großes Unternehmen gewesen; war es noch immer. Der Queen Pool war ziemlich flach, gewiß, und man hatte den Grund am Rande des Pools sehr gründlich abgesucht. Aber es war nichts gefunden worden, und Johnson hatte immer den Verdacht gehegt (zu recht, so schien es), wenn Karin Erikssons Leiche irgendwo im Blenheim Park beseitigt werden sollte, müßte es in dem viel tieferen Wasser des viel größeren Sees geschehen sein. Sie müßte auch gut beschwert worden sein, erklärten ihm die Einheimischen, da sie sonst mit ziemlicher Gewißheit bald nach dem Untertauchen wieder an die Oberfläche gedrängt werden und hinunter an die Grand Cascade getrieben würde, wo das Wasser seinen Weg durch das enge Flußbett zwischen den Ufern des Glyme wiederaufnimmt.
Johnson durchblätterte die großzügigen Illustrationen der Broschüre und nahm sich vor, dem prachtvollen Gebäude und den Parkanlagen, die Queen Anne und ihr dankbares Parlament für den mächtigen Herzog gebaut hatten, mit seiner jungen Frau recht bald einen Besuch abzustatten. Wie war noch die Eselsbrücke, die sie auf der Schule gelernt hatten? BROM, ja das war es; Blenheim, Ramilles, Oudenarde, Malplaquet — jenes melodische Quartett von Siegen. Dann kam ihm plötzlich der Wunsch, aufzustehen und sein Büro zu verlassen und wieder einen Blick auf das wundervolle Bild zu werfen, das den Besucher unvermittelt trifft, wenn er das Triumphal Gate passiert.
Er fuhr hinaus nach Woodstock, vorbei am Bear und der Kirche zu seiner Linken, dann über den Hof und weiter zum Tor, wo der Aufseher in seinem Häuschen saß, und wo Johnson (zu seinem Entzücken) erkannt wurde.
«Fahren Sie rein, Sir?»
Johnson nickte. «Ich dachte, wir hätten an jedem Tor einen von unsren Jungs?»
«Stimmt, Sir. Aber sie haben sie wieder abgezogen.»
«Wann war das?»
«Sonnabend. Der Bursche, der hier Dienst hatte, sagte nur, daß er nicht zurückkommen werde — mehr weiß ich nicht. Schätze, er muß gedacht haben, der Fall ist gelöst, Sir.»
«Tatsächlich?»
Johnson fuhr durch das Tor, und da lag es wieder vor ihm, das Bild, das so viele Erinnerungen erweckte; im Mittelgrund die Türme des Palastes selbst, und dort, unmittelbar rechts von ihm, der See mit der Grand Bridge und Capability Browns Buchenlandschaft dahinter. Atemberaubend!
Johnson akzeptierte die Tatsache, daß seine Sensibilität in gewisser Weise begrenzt war, doch hielt er sich für einen kompetenten Polizisten, und er war keineswegs froh über die Aussage, die er soeben gelesen hatte. Wenn man diesem Hardinge trauen konnte, ging die Aussage, die Daley vor einem Jahr gemacht hatte, sehr großzügig mit der Wahrheit um, und das fand Johnson lästig — sehr lästig. Damals hatte er ziemlich viel Zeit mit Daley verbracht, als es um die jämmerliche Rucksackangelegenheit ging, und er wollte sich noch einmal mit Daley unterhalten. Jetzt!
Er fuhr am Palast vorbei zum Gartenzentrum, aber niemand hatte Daley an diesem Morgen dort gesehen. Vielleicht war er draußen bei der Sägemühle? Johnson verließ den Blenheim Park also wieder, durch die Eagle Lodge, und dann hinaus auf die A 4095, von der er nach rechts abbog, durch Bladon und Long Hanborough, dann wieder nach rechts und an der westlichen Grenze erneut auf die Blenheim-Besitzung hinauf, wo er neben den Stapeln frisch geschnittener Pfähle im Hof von der Blenheim-Sägemühle parkte. Er war erst einmal zuvor da gewesen, als er der große weiße Chief war, und ihm wurde plötzlich klar, daß er wesentlich schneller hergekommen wäre, wenn er quer durch den Park
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