Finstere Propheziung
leise.
»Sie ist gestorben. Am Mittwoch«, erwiderte Alex knapp. Sie wollte nicht darüber nachdenken und schon gar nicht davon sprechen. Sie hatte das kurze Aufflackern von Schmerz in Cams Augen bemerkt, sie wollte kein Mitleid. Alex senkte den Kopf und zwang ihre Konzentration auf die
CD in ihrer Hand. Es war Marleigh Coopers erstes Album.
Marleigh Cooper, der verschwundene Star. Verschwunden in Marble Bay, Massachusetts.
Also da bin ich gelandet, erkannte sie nun. Na klar. Da lebte Camryn Barnes. Das Mädchen hatte ja seine Adresse auf den Zettel für Alex gekritzelt. Sie hatte nur vorher den Zusammenhang nicht begriffen. »Sie ist gestorben, unmittelbar nachdem du mir gemailt hast?«, fragte Cam verwirrt. »Gleich am nächsten Tag?« Alex ließ die Schultern hängen. » Mehr oder weniger« , sagte sie und warf die CD wieder auf das Bett. »Etwa so um drei Uhr morgens. Die Beerdigung war letzten Freitag. War nicht so schlimm. Es sind viel mehr Leute aufgetaucht, als ich erwartet hatte.«
»Alex«, Cam schnappte nach Luft. »Das kann nicht sein. Heute ist Freitag, Freitagabend. Du kannst unmöglich so schnell hierher gekommen sein, wenn du nicht mit der Concorde geflogen bist - und ich glaube, die haben gar keine Verbindung zwischen hier und Montana.« Alex seufzte. »Dieser alte Typ, Doc, hat mich hergeschafft. Ich bin wohl eingeschlafen oder so was. Ich weiß nicht, wie er mich hierher befördert hat, aber es ist so. Er hat behauptet, dass er weiß, wo ich jetzt hingehöre. Leider hat er sich wohl total verrechnet« , fügte sie hinzu und sah sich in Cams durchgestyltem Zimmer um. »Ich und hierher gehören! Der hat sie nicht alle.«
»Was ist denn mit deinem Dad? Weiß er -«
»Er lebt nicht mehr« , unterbrach Alex sie barsch und erhob sich. Um Cams überraschtem Blick zu entfliehen, um ihrer eigenen Panik etwas entgegenzusetzen, begann sie, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Warum bist du denn so ... « Empfindlich, wollte Cam eigentlich sagen, aber sie ließ es bleiben. Denn plötzlich war ihr die Antwort selbst klar geworden. Mit einem Mal wurden ihre Augen ungewöhnlich scharf und sie konnte nur noch das Pochen ihres eigenen Pulsschlages hören. Sie »sah« einen Wohnwagen mitten im Wald - denselben, den sie sich vorgestellt hatte, als Alex »unser Haus« gesagt hatte - und eine hübsche, wenn auch übermüdete, hustende Frau. Sie war von einem hellen Lichtschein umgeben, dessen Farbtönung sich rasant veränderte.
Eine Aura, dachte Cam und fragte sich, woher sie dieses Wort auf einmal kannte. Und dann wusste sie, dass die Frau Sara hieß und dass sie Alex' Mutter war. Und vielleicht auch ihre eigene. Dann zerbrach das Bild vor ihren Augen.
Kapitel 19 - DAS VERSENGTE BILD
»Du hast gerade ... an deine Mo m gedacht, stimmt's?«, fragte Cam atemlos. Tränen blitzten in Alex' Augen. Sie wischte sie wütend am Ärmel ihres schwarzen Kleides ab. »Das gehört zum Thema Geht-dich-so-was-von-nichts-an«, raunzte sie. »Außerdem hast du mir doch gerade noch erzählt, dass du keine Gedanken lesen kannst.«
Hinter den verbitterten Worten spürte Cam schmerzhafte Trauer. »Das mit deiner Mom tut mir wirklich Leid«, sagte sie. »Warum ? Ist ja nicht deine Mom«, schnauzte Alex sie an - in letzter Zeit hatte sie sich immer so verhalten, hatte unwillkürlich ihre Angst, Trauer und jetzt auch ihren Schmerz in Zorn verwandelt.
Woher wollte sie das denn wissen?, hätte Cam am liebsten zurückgeschossen. Aber sie wollte Alex nicht noch mehr wehtun. Und ihr Kopf schmerzte. Ihre Augen brannten noch von der Vision oder was immer es auch gewesen sein mochte. »Stimmt.« Sie machte einen Rückzieher. »Erzähl doch etwas von ihr, wenn du magst«, forderte sie Alex vorsichtig auf. »Wie war sie so? Außer hübsch.«
»Sie war zäh«, erwiderte Alex und betrachtete die Fotos, die an Cams Wände geheftet waren. » Stark, witzig, großzügig. Sie ist einfach die Beste. Ich meine, sie war ... « Alex Stimme verlor sich. Sie wollte nicht über ihre Mom sprechen - vor allem nicht mit Cam. Plötzlich fiel ihr Blick auf eines der Bilder und sie platzte heraus: »Hey, das ist das Mädchen aus den Nachrichten.« Das war eine dämliche Bemerkung, aber immer noch besser, als wieder zu heulen. »Mit Marleigh Cooper -und dir.«
Cam warf einen flüchtigen Blick auf das Foto, das Alex betrachtete. »Die, auf die du gerade zeigst, das ist Tonya Gladstone. Woher wusstest du das?«, fragte sie. »Ach so, wahrscheinlich hast du sie
Weitere Kostenlose Bücher