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Finstere Propheziung

Finstere Propheziung

Titel: Finstere Propheziung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
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seinem großen Kristall. Als seine Finger den glitzernden Stein fanden, bildete Karsh eine Faust darum und murmelte eine Beschwörung. Dann ließ er den Kristall wieder los und trotz seiner eben noch verspürten Müdigkeit wirbelte er blitzartig herum - und packte einen entsetzten Zauberer beim Kragen. Ein magerer Junge von vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahren wand sich in seinem Griff. »Lord Thantos lässt fragen, wo sich seine Nichten aufhalten« , stotterte das verängstigte Kind.
    »Was bist du denn? Ein Medium? Ein Zögling? Ein Meister? Mit Sicherheit jedenfalls kein Mächtiger. An deinen Nagelstiefeln kann ich erkennen, dass du ein Anhänger des wahnwitzigen Hexenmeisters bist.«
    Der Junge in Karshs Griff verfärbte sich, seine Gesichtsfarbe wechselte von blass über rot gefleckt und blau zu aschgrau. Doch Karshs Arm begann zu zittern. Er würde den Laufburschen nicht mehr lange festhalten können. »Herrje, Karsh, nun lasst ihn doch endlich fallen!«, erschallte auf einmal Ileanas gereizte Stimme hinter ihm. »Und ganz nebenbei bemerkt, alter Hexer: Auch mich würde die Antwort auf seine Frage interessieren.«
    »Wie konntet Ihr nur? Ohne mich zu Rate zu ziehen?« Ileana trampelte gekränkt und außer sich vor Wut durch den Kiefernwald, während Karsh ihr dicht auf den Fersen blieb. Er hatte noch niemals erlebt, dass die junge Hexe so außer Fassung war. Er hätte ihr gern gesagt, wie dringend es gewesen war, das Mädchen aus Montana wegzuschaffen. Wie nahe Thantos beiden Töchtern Arons schon im Erlebnispark gekommen war. Wie überheblich der stämmige Zauberer geworden war -ohne Tarnung aufzutauchen, sein wahres, schwarzbärtiges Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Aber Karsh wagte es nicht, sein Zusammentreffen mit dem mächtigen Hexenmeister zu erwähnen. Nicht gerade jetzt, angesichts Ileanas Tobsuchtsanfall. Nicht einmal, um zu erklären, wie er sich zwischen das Monster und seine Beute gestellt, Thantos' Gewalt über Apolla gebrochen und den abtrünnigen Mächtigen beinahe in eine unscheinbare Muschel verwandelt hatte. Denn dann hätte er auch zugeben müssen, dass er im gleichen Moment, in dem er mit seinem Zauberspruch begann, Feuer auf seiner Stirn gespürt hatte und vernahm, wie Thantos eine Beschwörung murmelte, die ihn, den ehrwürdigen Karsh, zu Asche verbrannt hätte.
    Sie trennten sich also unentschieden. Der unverfrorene Tyrann, der behauptete, dass er die Mädchen nur zusammenbringen wollte, um ihre Kräfte kennen zu lernen, die er als ausgezeichnet einschätzte, war aus dem Park geflohen. Und Karsh war zurückgeblieben, als Würstchenverkäufer getarnt, um den Zwillingen zu helfen, wenn sie seiner Dienste bedurften. Was zu seinem Erstaunen nicht der Fall gewesen war! Er war ihnen ein guter Lehrer gewesen, in ihren Träumen hatte er ihnen beigebracht, ihr Vermächtnis zu akzeptieren und sich die ersten Geheimnisse der Kunst anzueignen. Er hatte Apolla gelehrt, ihre Augen zu schärfen, nicht nur in die Weite, sondern auch in die Tiefe zu blicken, zu blenden, zu verblüffen und zu verbrennen, wenn es denn sein musste -wie ihr fürstlicher Pate Apollo es täte.
    Artemis hatte er offenbart, wie sie Geräusche vernehmen konnte, die andere niemals hören würden - genau wie es die Jägerin vermochte, nach der sie benannt war. Er hatte ihnen Beschwörungen, Wissen um Zaubertränke, um die heilende Kraft der Blumen, Steine und Kristalle zugeraunt. So viel hatte er in ihre jungen Ohren fließen lassen -und hatte dann mit Staunen verfolgt, wie sie zum ersten Mal ihrer Bestimmung folgten und ihre Begabung zum Nutzen anderer einsetzten. Es brauchte Karshs ganze Kraft, um im Angesicht von Ileanas Erregung die Ruhe zu bewahren. Zumindest den Anschein von Ruhe zu wahren, während er ihr sperriges Gepäck durch den Wald schleifte. Wie üblich war ihr Koffer mit so viel Zeug voll gestopft, wie niemand anderes für einen Ausflug von zwei Tagen benöt igen würde. »Ihr wart verreist« , erinnerte er sie und versuchte schnaufend und keuchend sie einzuholen. »Ein Kuraufenthalt.«
    »Das war keine Kur.« Ileana blieb abrupt stehen, stampfte mit dem Fuß auf und schlug sich mit der Zeitschrift, die sie bei sich trug, auf den Oberschenkel. Das Hochglanzmagazin knallte wie eine Reitpeitsche. »Es war ein Verwünschungs-Seminar.«
    »In Kalifornien?« Karsh hob seine angesengten Brauen - eine Folge seiner Begegnung mit Thantos - und betrachtete zweifelnd Ileanas strahlende Sonnenbräune und die neuen

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