Finstere Propheziung
Amphitheaters. Sie schüttelte ihre ausgebreiteten Arme und entfaltete ein atemberaubendes Paar bernsteinfarbener Schwingen. Die Menge verstummte beeindruckt und applaudierte dann lautstark. »Genug«, befahl sie. »Wir haben genug gehört. Bis zu dem Tag, an dem Lord Thantos persönlich vor diesem Rat erscheint...«
»Was er niemals tun wird«, beharrte Ileana. »Dann findet ihn und bringt ihn zu uns«, erwiderte Rhianna unwirsch. »Der Rat wird nun abstimmen. Sollen die Zwillinge, Artemis und Apolla, voneinander getrennt werden, wie es der Wunsch Ileanas ist, oder soll es ihnen gestattet sein, beisammen zu bleiben, wie Karsh es vorschlägt ?« Karshs Blick wanderte unruhig durch den Saal.
Welche der Anwesenden waren seine Freunde und welche seine Widersacher? Er wartete, während die Ratsmitglieder ihre Stimmen in den Computer eingaben. So sollte Apollas und Artemis Schicksal beschlossen werden? Mit Hilfe dieser Geräte, Maschinen, Apparate, dieser absonderlichen Kisten? Er würde sich nach der Entscheidung des Rates richten müssen, auch wenn vielleicht ein Finger aus Versehen auf der falschen Taste landete. Sie beugten sich alle über ihre Monitore, ihre Finger klapperten eilig auf den Tastaturen. Karsh hatte keine Ahnung, ob eine schnelle Entscheidung ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Doch rasch ging es in jedem Fall. Lady Rhianna bekam das Ergebnis telepathisch übermittelt. Ihr Lächeln gab Karsh den entscheidenden Hinweis und erlaubte ihm einen Moment lang ein Gefühl der Erleichterung, wenngleich auch nicht des Triumphes.
»Der Entschluss des Rates steht fest. Es freut mich, dass ich mit der Entscheidung einverstanden bin.« Rhianna rümpfte ihre Stupsnase und sah auf Ileana herab. »Die Zwillinge sollen auch in Zukunft beieinander bleiben.« Ileana ballte ihre Hände zu Fäusten, rührte sich aber ansonsten nicht, was eindeutig besser war, denn sonst hätte sie vielleicht doch noch versucht, Rhianna in die besagte Kartoffel zu verwandeln. Da es ihr aber untersagt war, ihre Kräfte einzusetzen, konnte sie nur vor Wut schäumen. Was sie auch überreichlich tat. »Es scheint so, Ileana, als müsstet Ihr Euch nun endlich den Aufgaben stellen, für die man Euch auserwählt hat«, sagte Rhianna. Unverzüglich eilte Karsh zu Ileanas Verteidigung. »Darf ich den Rat daran erinnern, dass Ileana selbst ein bloßes Kind war, kaum siebzehn Jahre alt, als man ihr die Verantwortung für die Mädchen übertrug?«
Die Erleuchtete grinste breit. »Na, nun ist sie ja nicht mehr siebzehn.«
Das war zu viel. Ileana platzte heraus. »Ich habe weder genug Zeit noch die richtigen Kleider! Was trägt man denn überhaupt so in Marble Bay?« Sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, erkannte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Karsh ebenso. Falls Thantos Freunde unter den Anwesenden hatte - und es gab zumindest einen, den Jungen -, so wussten diese nun, wo sich die Mädchen aufhielten. Ileana senkte den Kopf, bleich und beschämt. »Meine Liebe, Ihr solltet begeistert sein.« Rhianna war wieder auf den Boden geschwebt und stand nun mit verschränkten Schwingen direkt vor Ileana. »Denn Ihr hattet tatsächlich Recht. Ihr seid vor diese Ratsversammlung getreten, um Eure Position als Vormund von Artemis und Apolla bekräftigt zu sehen. Und das ist auch geschehen. Ihr seid ihr Vormund, ihr Lehrer, ihr Beschützer und ihr Meister. Wenn die beiden die Volljährigkeit erreichen, werdet Ihr, Ileana, ihrer Einweisung in den magischen Kreis vorstehen. Vierzehn Jahre lang hattet Ihr wenig zu tun. Soweit ich das beurteilen kann, kam Euch das gerade recht. Nun hat sich die Lage gewandelt.« Sie blickte von Ileana zu Karsh und wieder zurück. »Ich schlage vor«, grinste sie, »dass Ihr beide Euch nun auf die Socken macht.«
K apitel 30 - JENSEITS DES ZAUNES
»Ich weiß schon, was du jetzt denkst«, sagte Cam, während sie ihre Fahrräder aus dem Ständer bei Music & More holten. »Erzähl mir was Neues, nicht immer die alten Geschichten«, murmelte Alex. Auch wenn sie selbst es genauso machte, war es immer noch ein komisches Gefühl zu wissen, dass sich jemand ebenso leicht in ihre Gedanken einklinken konnte, wie das FBI den M & M-Computer ausfindig gemacht hatte. »Und?«, fragte sie herausfordernd. »Ich bin anderer Meinung. Ich glaube nicht, dass sie es war.«
»Ich nehme mal an, dass wir über Tonya sprechen?« Alex schwang sich auf Dylans Rad. »Wie ich bereits mehrfach sagte: Sie hat so ihre Probleme. Aber das
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