Finsteres Gold
die Augen. Als sie sie wieder aufschlägt, steht tiefe Trauer in ihnen. »Ja. Alles gut. Bin nur erschrocken. Ja.«
Weiter Satzfragmente vor sich hin murmelnd, hastet sie davon.
Ich setze mich hin und klopfe mit der flachen Hand auf die Stufe neben mir, damit Nick sich auch wieder setzt. »Das war komisch. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung mit ihr. Wie sie dich angestarrt hat.«
»Ich habe eben diese Wirkung auf Frauen«, sagt er großspurig. »Sie kommen ins Stolpern, und dann rennen sie weg.«
»Echt?« Ich blicke ihn an und versuche, die Augenbrauen hochzuziehen. Seine Fingerspitzen streichen an meinem Unterkiefer entlang von meinem Ohr zu meinem Kinn. Sehnsucht und Verlangen und all diese ganz normalen, menschlichen, hormongesteuerten Gefühle regen sich schmerzhaft in mir. Er lächelt, beugt sich nach vorn und küsst mich. Ich küsse ihn zurück, intensiv und lang und gut. Als er sich schließlich von mir löst, ist sein Blick ganz zärtlich und voller Leidenschaft. Seine tiefbraunen Augen sind noch dunkler als sonst.
»Du machst mich fertig«, sagt er.
Meine Hand liegt flach auf seiner Brust, und ich kann seinen Herzschlag spüren. Ein stetiger Rhythmus, der Leben bedeutet, und Trost.
»Ich möchte dich niemals verlieren«, bringe ich mühsam heraus und senke den Kopf.
Er hebt ihn vorsichtig wieder an, sodass ich ihm in die Augen schauen kann.
»Du wirst mich niemals verlieren.« Seine Stimme klingt belegt.
»Schwörst du es?«, flüstere ich, aber schon diese paar geflüsterten Worte drohen, mich in einen dunklen Abgrund aus Verlust und Verzweiflung zu reißen …
Nicks Finger streicheln meine Haut. »Ich schwöre es.«
Die Cafeteria unserer Schule hat die Form eines Achtecks. An drei Seiten befinden sich die Küche und die Essensausgabe, die Eingangs- und Ausgangstüren befinden sich auf einer vierten Seite. Die restlichen Wände haben Fenster und einen Notausgang. Das Neonlicht in Verbindung mit dem weißen Schnee draußen macht den Raum wahnsinnig hell, und das ist nicht besonders gut.
Is und ich holen uns an der Essensausgabe jede einen Bagel. Sie werden auf Papptellern mit Plastikmessern serviert.
»Nicht besonders umweltfreundlich«, kritisiert Issie und zieht ihre Karte durch die Maschine.
»Darüber beschwere ich mich schon ewig«, sagt Giselle Brown hinter mir.
Sie schüttelt ablehnend den Kopf, dass ihre Dreadlocks fliegen. Sie trägt ein altes gebatiktes Grateful-Dead-T-Shirt und ist eine der wenigen, die mittwochs regelmäßig zu meinen Amnesty-International-Treffen kommen. Aus diesem Grund mag ich sie, auch wenn sie die Diktatoren, denen sie schreibt, gelegentlich wüst beschimpft. Wir können nicht alle perfekt sein. Und wenn man schon jemanden beschimpfen muss, dann ist ein Diktator eine gute Wahl.
Giselle beugt sich zu Issie hinüber und sagt: »Was läuft da eigentlich zwischen Devyn und Cassidy?«
Issie erstarrt. »Was meinst du damit?«
»Sie ist die ganze Zeit um ihn herum. Ich dachte, ihr beide wärt zusammen«, erklärt Giselle.
Der Pappteller in Issies Hand zittert. »Nein, nein. Sind wir nicht. Wir sind nur Freunde.«
»Ach so. Dann brauche ich mich ja nicht wegen dir über sie aufregen.« Sie lächelt mich an und rümpft dann die Nase. »Hier stinkt’s nach Klo.«
Die Dame von der Essensausgabe schaut auf und blinzelt. »Das ist der Kohl.«
Giselle ist peinlich berührt. Sie lässt ihre Banane fallen, aber ich fange sie auf, bevor sie auf dem Boden landet. »Äh! Oh! Ich hab das nicht böse gemeint. Tut mir leid. Tut mir wirklich, wirklich …«
Die Frau zeigt mit ihrem weißen Kugelschreiber auf Giselle. Ihr Haarnetz ist ein bisschen nach links verrutscht. »Schon recht. Ich finde auch, dass es nach Klo riecht.«
Ich ziehe meine Karte durch und peile zusammen mit Issie einen Tisch an. Es ist ein kleiner Viersitzer mit einer schweinchenrosa Tischplatte. Nick und Dev futtern schon ihre Pizza. Ich rutsche auf den Platz neben Nick.
»Hallo, Baby«, sagt er und küsst mich. Sein Atem riecht nach Peperoni. »Was geht?«
»Nichts.« Mit einer Hand klappe ich meinen Bagel auf.
»Giselle hat der Frau an der Ausgabe gerade gesagt, dass es nach Klo riecht«, sagt Issie, als Giselle gerade hinter ihr vorbeiläuft.
»Ich hab es nicht böse gemeint«, beharrt sie und schüttelt den Kopf. Sie lässt sich neben Callie und ein paar anderen, die auf Kunst und Theater stehen, auf einem Stuhl nieder.
Nick streicht Frischkäse auf meinen Bagel, weil es schwer ist, das
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