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Finsteres Gold

Finsteres Gold

Titel: Finsteres Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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einen Fluch.
    »Was für Blut?«
    »Elfenblut.«
    Ich weiß nicht, wie ich es mache, aber ich schaffe es, mich von ihm loszureißen, wirble herum und stürze zur Eingangstür der großen weißen viktorianischen Villa. Die Tür hängt nur noch in einer Angel und steht offen. Ich taumle hinein und bleibe stehen. Nick ist direkt hinter mir.
    »Oh nein …«, flüstere ich.
    Er zieht mich an seine Brust, aber ich habe es schon gesehen. Ich habe es schon gesehen, und es hat sich in meinem Hirn festgesetzt wie Panik und Schrecken, wie ein schreckliches Bild aus einem Horrorfilm, das einen nicht loslässt: Körper mit verrenkten Gliedern auf dem Marmorfußboden, blutverspritzte Wände, als wären Arterien aufgeschnitten worden, abgetrennte Hände mitten auf dem Boden, offen stehende Augen, im Schrei eingefrorene Münder. Ich reiße mich von Nick los und schaue mich um. Dann fange ich an mich zu bewegen. Mit angehaltenem Atem gehe ich von einem Leichnam zum nächsten.
    »Zara, was tust du da?«
    »Ich suche meinen Vater.«
    Ich bleibe nicht stehen, gehe an einer Frau in einem zerrissenen pinkfarbenen Kleid vorbei und weiter zu einem Mann mit dunklen Haaren, aber er ist es nicht. Aus seinem Mund rinnt Blut. Ich schließe seine Augen und gehe die Treppe hinauf. Nick greift nach meinem Arm. »Zara …«
    Seine Augen sind schmerzerfüllt, aber lebendig, leer, aber immer noch beweglich. Ich frage mich, ob meine Augen auch so aussehen, oder ob sie mehr wie die die Augen der toten Elfen sind, die mit verdrehten Gliedmaßen auf dem Boden liegen.
    »Ich muss nachschauen, ob er hier ist, Nick.«
    Sein Kiefer spannt sich an und lockert sich dann wieder. »Ich komme mit.«
    »Das musst du nicht.« Ich betrete die breite, geschwungene Treppe und steige über einen blonden Elf, männlich und jung, aber nicht Astley. Jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten. Mein Magen scheint auf einmal direkt hinter meiner Zunge zu liegen. Ich will mich am Geländer festhalten, aber auch dort ist Blut. Überall ist Blut. Ich presse die Hand gegen die Lippen.
    Nick überholt mich. »Ich gehe voran. Nimm dein Messer raus.«
    Mit der Hand, in der ich das Messer halte, kralle ich mich an seiner Jacke fest und folge ihm die Treppe hinauf. Wir gelangen in den nächsten Stock, aber in den Fluren, die nach beiden Seiten abgehen, gibt es kein Licht.
    »Kannst du etwas riechen?«, flüstere ich.
    »Den Tod. Ich rieche den Tod.« Er nimmt meine Hand.
    »Ist irgendjemand noch am Leben?«, frage ich leise. »Meine Haut fühlt sich krabbelig an.«
    Er schnuppert. Die Heizung hier drinnen läuft, aber ich zittere trotzdem. »Nick?«
    Er nickt langsam und gibt mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich ein bisschen weiter hinter ihn gehen soll. Aber ich rühre mich nicht. Ich halte mich an seiner Jacke fest und bleibe direkt neben ihm, während wir den Flur hinuntergehen. Meine Schuhe treten in etwas. Ich erwarte noch mehr Blut, aber es ist Wasser, das aus einer Wasserflasche gelaufen ist, die jemand neben einer Schlafzimmertür fallen gelassen hat. Das erinnert mich daran, wie mein Stiefvater gestorben ist, direkt nachdem wir Joggen waren. Er hatte genau so eine Flasche auf den Küchenboden fallen gelassen. Nick legt einen Finger an die Lippen, damit ich leise bin. Dann betritt er den Raum.
    Ich hebe die Augenbrauen. Das Licht brennt, aber es ist niemand zu sehen. Nicht einmal Leichen liegen auf dem Boden. Das mit Laken aus Samt und Satin bezogene Bett ist nicht zerwühlt. Der Flur ist dunkel und Angst einflößend, in der Luft liegt der Geruch nach Blut und vergangenem Gemetzel. Nick macht ein finsteres Gesicht und bedeutet mir mit einer Handbewegung, stehen zu bleiben. Ich schüttle den Kopf und folge ihm.
    Unsere Blicke treffen sich. Seine Augen flehen mich an. Meine Augen flehen ihn offenbar auch an, denn er nickt langsam und nimmt meine Hand. Unsere Hände umfassen das Messer. Wir machen noch einen Schritt in das Zimmer hinein. Hinter dem Bett führen zwei große Holztüren aus dem Raum hinaus, außerdem gibt es noch eine Kommode und einen Stuhl. Auf dem Fußboden liegen Fußfesseln. Ich zeige mit dem Kopf auf die Türen, und Nicks gesamter Körper wird von einem Schauder ergriffen. Seine Hand in meiner Hand krampft sich zusammen, lockert sich und hält dann fest. Er verwandelt sich. Er lässt meine Hand los, bevor er sich wieder verkrampft, aber ich spüre noch, nur einen Augenblick lang, wie sich seine Finger verkürzen und in etwas Fremdes verwandeln,

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