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Finsteres Gold

Finsteres Gold

Titel: Finsteres Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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laut.
    »Genau.«
    Hinter uns ruft eine Frauenstimme: »Da sind sie!«
    Wir wirbeln beide herum. Deidre, die Frau vom Empfang, steht neben einem großen, dünnen Wachmann aus dem Hotel in einer grauen Uniform und zeigt auf uns, was lächerlich ist, denn außer uns ist hier niemand.
    »Man zeigt nicht auf andere Menschen. Das ist unhöflich«, flüstere ich Astley zu. »Wir sollten abhauen.«
    Er schüttelt den Kopf. »Bleib stehen. Vielleicht kann ich das klären.«
    Der Wachmann poltert durch den Flur auf uns zu, seine Wangen schlabbern wie die eines Hundes, und ich wispere stöhnend: »Vielleicht? Was meinst du mit vielleicht?«
    Astley nimmt meine Hand und tritt einen Schritt nach vorn. »Sir? Kann ich Ihnen helfen?«
    Die Pupillen des Sicherheitmanns sind ganz groß: »Keine Bewegung!«
    »Was für eine Bewegung?«, fragt Astley, und ich schwöre, er meint es ernst. »Das sagt man so«, zische ich. »Es heißt, ›bleib stehen‹.«
    »Bloß keinen Sarkasmus, Punk.« Der Wachmann stellt sich noch aufrechter hin und mustert uns. »Zu welcher Sorte Freak gehörst du mit deinem Aufzug?« Mit einer Handbewegung fordert er mich auf, vorzutreten. »Alles in Ordnung mit Ihnen? Hat er Sie belästigt?«
    Der Flur scheint auf einmal winzig klein zu werden und nur noch nach dem Rasierwasser des Wachmannes zu duften. Es ist klaustrophobisch. Klaustrophobie ist die Angst vor …
    »Hallo?«, bellt er, »Hören Sie? Sie sollen vortreten.«
    »Sie steht unter Schock«, erklärt Deidre. Einen Augenblick frage ich mich, ob draußen jemand ist. Ich schaue mich um, während Astley wieder anfängt, zu sprechen.
    »Wirklich, Sir. Uns geht es gut. Wir waren auf einem Kostümfest. Meine Freundin hat’s ein bisschen übertrieben und …«
    »Bursche! Ich habe gesagt, lass das Mädchen los.« Der Wachmann wendet sich an Deidre. »Rufen Sie die Polizei. Ich halte die beiden solange hier fest.«
    Meine Finger drücken Astleys. Er drückt zurück. »Sir, ich kann Ihnen versichern …«
    »Gehen Sie schon!« Der Mund des Wachmanns öffnet sich weit, als er Deidre anschreit. Sie hastet davon. Er tritt auf uns zu und zieht sein Funkgerät heraus.
    »Beleg ihn mit einem Zauber. Er holt Verstärkung«, zische ich Astley zu.
    »Ich versuch’s«, zischt er zurück. »Aber ich bin nicht gut in so was.«
    Der Wachmann bleibt stehen, bevor er das Funkgerät an den Mund hält, und mustert uns. Eigentlich mustert er Astley. »Auf dich passt die Beschreibung der Irren, die den Sumner-Bus überfallen haben? Bist wohl einer von ihnen? Brauchst nicht antworten. An die Wand mit dir.«
    Astley macht einen Schritt nach vorn, aber ich reiße ihn zurück.
    »Lauf!«, schreie ich und werfe dem Wachmann die Skittles aus meiner Tasche ins Gesicht.
    Astley gehorcht tatsächlich. Er dreht sich um, und ich zerre ihn auf das Exit-Schild hinter uns zu, während der Wachmann auf seinem Funkgerät rumtippt, verzweifelt Verstärkung anfordert und die Verfolgung aufnimmt.

Definition
    Elfenkuss: Die entscheidende Handlung bei der Verwandlung von Mensch in Elf. Oft tödlich, nur selten sexy.
     
    Wir stürmen die Treppe hinauf in einen anderen Flur mit langweiligem Hotelteppich und beigefarbener Tapete und rennen vorbei an vielen Türen, bis wir Zimmer 259 erreichen. Er schiebt die Schlüsselkarte ein, stößt mich durch die Tür und wirft sie hinter mir zu. Wir lassen uns gegen die tapezierte Wand fallen und rühren uns nicht. Dreißig Sekunden später erfüllt der Lärm rennender Füße den Flur.
    »Sie haben nicht gesehen, in welches Zimmer wir gegangen sind«, sagt er. »Wir dürften in Sicherheit sein.«
    Ich schlucke und betrachte das Doppelbett mit den zwei gleichen bräunlichen Daunendecken, die identischen Kissen auf jedem Bett, den kurzflorigen beigefarbenen Teppichboden. Dann gibt es noch eine Messinglampe, Vorhänge, eine Klimaanlage. Sieht alles normal aus. Ein ganz normales Hotelzimmer. Ein ganz normales Hotelzimmer, aber hier werde ich meine menschliche Identität verlieren und etwas … etwas anderes werden.
    »Und was, wenn ich?«, stoße ich hervor.
    Er nimmt ein weißes Handtuch aus dem Bad und wickelt es um mein Handgelenk. »Was, wenn du was tust?«
    »Wenn ich wie mein Vater werde?«
    »Er gehört nicht zu den Schlimmsten. Bei Weitem nicht.« Er bindet die Handtuchenden zusammen.
    »Ich weiß.« Ich muss an den König denken, der Nick heute fast umgebracht hat. An ihm war nichts Menschliches mehr. »Und wenn ich so werde?«
    Er berührt mein Kinn.

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