Finsteres Gold
Schicht. Ich weiß es. Ich weiß es, aber ich kann es nicht aufhalten. Ich kann gar nichts aufhalten. Für mich gibt es nur noch den Kuss.
Begierde.
Sonst nichts. Wenn ich mich bewegen könnte, würde ich seine Lippen noch fester auf meine pressen. Wenn ich mich bewegen könnte, würde ich ihn bitten, niemals aufzuhören.
Worte.
Seine Lippen bewegen sich unter meinen. Er küsst noch, murmelt aber gleichzeitig Worte in einer Sprache des Himmels und der Götter, der Sprache der Elfen. Es muss die Sprache der Elfen sein. Seine Finger spreizen sich in meinen Haaren. In meinem Kopf pochen Worte, denen ich keine Bedeutung zuordnen kann.
Schmerz.
Und dann verändert sich alles. Die Worte züngeln wie Flammen in meinem Kopf. Meine Haut brennt von einem Feuer, das direkt aus meinen Neuronen zu schießen scheint. Seine Lippen verlassen meine Lippen, und ich bin allein. Ich bin aufgebraucht, verzehrt. Mir tut alles weh. Ich bin verloren. Verloren. Verloren!
»Astley!«, keuche ich seinen Namen.
Seine Hände schieben sich unter mich und heben mich auf das Bett. Ich zucke. Ich weiß, dass ich zucke. Er schiebt mir vorsichtig die Haare aus der Stirn. »Es hat angefangen. Es wird alles gut, Zara. Ich werde die ganze Zeit hier sein.«
»Mach, dass es aufhört«, stöhne ich.
»Das kann ich nicht. Ich kann dich nur an meiner Kraft teilhaben lassen und es dir leichter machen.«
»Das. Ist. Leichter?«
Er lacht. Es klingt traurig. Ich versuche die Augen zu öffnen, um ihn anzusehen, aber es gelingt mir nicht. Ich habe das Gefühl, als würde jemand rote Erde in unzählige kleine Wunden auf meinem ganzen Körper reiben. Ich stoße keuchend die Worte aus. Die kleinen Wunden fräsen sich tiefer in meinen Körper hinein. Sie schlängeln sich zu meinen Venen, zu meinen Muskeln und zu meinen Knochen.
»Es wird nicht lange dauern«, versichert er mir. Seine Hand liegt auf meiner Stirn. »Ich verspreche es dir. Du wirst es überleben. Spüre meine Hand. Spüre meine Kraft. Sie ist jetzt dein, meine Königin. Ich verspreche es dir. Ich bin dein.«
Mein Kopf schwimmt. Vor meinen Augen blitzen Bilder auf. Issie, die über den Flur hüpft, weil sie eine Drei in ihrem Physiktest geschrieben hat. Mein Stiefvater, der die Arme ausbreitet, um mich zu umarmen, nachdem ich zum ersten Mal eine Meile unter fünf Minuten gelaufen war. Meine Mom, die mir mit meiner Barbie-Prinzessinnenbürste die Haare bürstet. Meine Mom, die mit mir zusammen im Pool schwimmt, mit geschlossenen Augen »Marco« ruft, lacht und nach mir sucht. Betty, die aufgewärmte Spaghetti am Pfannenboden anbrennen lässt. Nick. Nicks wunderschöne braune Augen, Nick, der zusammen mit mir Amnesty-International-Briefe schreibt, und der Stift verschwindet in seiner supergroßen Hand. Nicks Lippen, warm und wild und wirklich. Nick, der in den Himmel fortgetragen wird.
Ich schreie.
Astleys Hand legt sich auf meinen Mund. »Ich werde jetzt dafür sorgen, dass du ohnmächtig wirst, Zara. Du darfst nicht schreien. Wir sind in einem Hotel. Die anderen Gäste könnten dich hören. So ist es besser.«
Das Letzte, was ich höre, ist sein Versprechen, dass alles gut werden wird. Das Letzte, was ich denke, ist Nicks Name, eine Silbe, die mir alles in der Welt bedeutet. Nick. Ich halte an diesem Namen fest, halte an ihm fest, während mein Körper ins Leere trudelt. Aber dann kommt auch er mir abhanden, und ganz zum Schluss denke ich an mich, an Zara. Was werde ich sein, wenn ich wieder aufwache? Ich weiß nicht einmal, ob ich das überlebe, und wenn, vielleicht bin ich dann so böse, so abscheulich, dass Devyn mich töten muss oder dass ich mich selbst töten muss. Gewaltiger Jammer erfüllt meine Seele. Ich habe gerade eben den größten und schrecklichsten Fehler begangen: Ich habe mich selbst verraten.
Elfen-Tipp
Viele Elfen verbergen ihre wahre Erscheinung durch einen Zauber. Und das ist gut.
Ich habe absolut keine Vorstellung, wie viel Zeit vergangen ist, aber als ich aufwache, sieht das Hotelzimmer aus wie ein ganz normales Hotelzimmer, allerdings sind die Laken auf dem Bett völlig zerfetzt, das weiße Telefon auf dem Nachttisch ist voller Blut, und ein müde aussehender blonder Typ hält meine Hand. Das sind ziemlich bedeutsame Unterschiede.
Jemand stöhnt. Ich brauche eine Sekunde, um zu merken, dass dieser Jemand ich selbst bin und dass ich stöhne, weil sich meine Haut anfühlt, als wäre sie eingelaufen und gebügelt worden. Mein Mund schmerzt, und alles schmeckt
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