Finsteres Gold
blinzelt und dreht sich, sodass ich sein Gesicht besser sehen kann, dann scheint er sich anders zu besinnen. Seine Stimme klingt ganz ruhig, aber sein Blick ist hochkonzentriert und hart: »Es ist eine enorme Entscheidung.«
Ich schlucke, nehme ihm mein Handy ab und rufe meine Großmutter an. Sie hebt gleich zu Beginn des ersten Klingelns ab. Ihre Stimme sticht wie eine Heugabel durch die Luft. »Zara! Wo zum Teufel steckst du? Geht es dir gut?«
»Ja. Mir geht’s gut. Und dir?«
»Alles bestens. Ich kann mehr einstecken, als den Scheiß, den sie ausgeteilt haben. Aber wo bist du?«
»Ich bin bei Astley«, sage ich.
»Sie ist bei Astley«, wiederholt sie gedämpft. Offenbar hat sie sich vom Telefon abgewandt. »Er ist der König? Du bist beim König? Hat er dich entführt?«
»Er hat mich gerettet«, flüstere ich.
»Zara White, du bist viel zu schlau, um zu glauben, dass ein Elfenkönig dich jemals retten würde. Du lässt dich nicht von ihm küssen, ich wiederhole, du lässt dich nicht küssen«, ordnet sie an. »Ich gehe nach Walhalla und hole Nick. Ich verstehe deine Überlegungen, aber diese ganze Sache ist ein abgekartetes Spiel. Du bist nicht stark genug, um das zu tun. Das hat weitreichende Konsequenzen, vergiss das nicht.«
Ich unterbreche sie. »Ich liebe dich, Gram. Das weißt du, nicht wahr?«
»Zara!«
»Ich liebe Issie und Dev und Mom und auch Mrs Nix, okay?« Mein Herz klumpt sich in meiner Brust zusammen. Es ist, als würde man eine Hand in eine Schneewehe stecken – roher, kalter Schmerz. »Ich liebe euch!«
Ich beende die Verbindung, bevor ich verstehe, was sie in den Hörer schreit.
Hinter mir ertönt eine Stimme: »Bist du okay?«
Ob ich okay bin? Das Blut aus der Wunde an meinem Handgelenk fließt durch seine Finger und tropft auf den Boden. Ich habe keine andere Wahl. Ich muss okay sein. Ich muss das tun, weil ich für alles verantwortlich bin. Ich bin in das Haus hineingegangen. Nick ist mir gefolgt, und dann ist er gestorben. Und wenn ich ihn nicht zurückholen kann, wird mein gesamtes Inneres in dieser kalten Schneewehe versinken, und nichts kann es je wieder herausholen. Oh ja, ich bin okay. Ich fühle mich fantastisch. Aber dann schiebe ich den Gedanken beiseite, schaue auf den Boden, während wir noch ein Stück den Flur hinunterschlurfen, und sage: »Ich habe ein schlechtes Gewissen wegen all dem Blut. Es tropft auf den Teppich.«
Er lacht. »Machst du Witze? Du wirst dich gleich verwandeln, und da machst du dir Gedanken über ein paar Blutflecken?« Er legt den Kopf schief und mustert mich, was mich schrecklich verlegen macht. Dann sagt er: »Hast du keine Angst, meine Königin zu sein?«
Ich hole tief Luft. »Hör zu. Ich habe eine verdammte Höllenangst wegen dieser ganzen Sache, okay? Ich fürchte mich davor, was es bedeutet, ein Elf zu sein, ich fürchte mich davor, deine Königin zu sein, und vor dem, was all das langfristig für mich bedeutet. Ich habe Angst wegen Walhalla, ich habe Angst, dass ich Nick nicht zurückholen kann und dass er mich nicht mehr liebt, wenn ich mich verwandelt habe. Ich habe Angst vor all den frei herumlaufenden Elfen. Ich habe Angst, dass du mich anlügst. Ich habe so eine verdammte Angst. Aber ich muss es tun. Ich muss es tun, und zwar einen Schritt nach dem anderen, und wenn ich zu viel nachdenke, dann kann ich gar nichts mehr tun. Dann wird die Angst mich lähmen, verstehst du?«
Er gluckst und öffnet eine Tür zu einer Treppe. »Du hast zweimal verdammt gesagt.«
»Ich bin durcheinander.«
»Die meisten Leute fluchen, wenn sie durcheinander sind.«
»Ich bin nicht die meisten Leute.«
Er nimmt meinen Ellbogen. »Ich weiß.«
Mit schief gelegtem Kopf sieht er mich an. Ich sehe ihn auch an, betrachte die silberfarbenen Augen, die blaue Haut, die vollen Haare, die furchterregend scharfen Zähne. Er hebt mein Handgelenk zwischen uns hoch und hält mit dem Fuß die Tür auf. »Bist du dir sicher?«
»Glaubst du, ich überlebe?«, flüstere ich.
»Den Kuss?«, flüstert er zurück.
Ich wende den Blick nicht von seinen Augen ab. »Ja. Den Kuss, alles.«
»Ich werde dafür sorgen, dass du überlebst, Zara. Ehrenwort.« Seine Pupillen verändern sich nicht. Nichts weist darauf hin, dass er lügt. »Es ist für mich sehr wichtig, dass es dir gut geht. Wenn du meine Königin sein sollst, dann musst du überleben, du musst stark sein und mir in meinem Kampf beistehen.«
»Für die Guten, nicht wahr?« Ich sage das gewollt witzig und
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