Finsteres Licht
können wir dieses edle Holz brechen?“, hakte Jeremy drängend nach.
„Hmm. Lass mich überlegen.“
Während Ramira ihre Gehirnzellen auf Trab hielt, grübelte ich ebenfalls über eine Lösung.
Ich tastete das Holz vorsichtig ab. Manchmal spürte ich leichte Vibrationen, mal kleine Wellen Magie. Ich schuf die Bilder dieses Zaubers in meinen Kopf und studierte sie. Es waren bei weitem nicht so aufwendige und viele Zauberformeln wie vorhin. Ganz im Gegenteil. Nur ein einziger Zauber schien das Holz in sich zu verbergen. Ich griff nach dem seidigen Glanz der Magie und zerriss sie mühelos.
„Es gibt nur wenige Formeln mit denen man Ebenholz belegen kann. Es sollte nicht allzu lange dauern bis ich den Zauber gebrochen habe“, führte Ramira aus.
Ich fragte mich wozu diese Hexe da war , wenn ich alles alleine machen musste. Klar, sie hatte die Schutzzauber in Constantins Wald für meine Freunde gebrochen. Aber sonst war sie wohl nicht zu gebrauchen.
Ich machte mir einen Spaß daraus und ließ sie tun, was auch immer sie vor hatte und schaute ihr gespannt dabei zu. Ramira streckte ihre Hände aus und legte ihre Handflächen auf das Holz. Dann begann sie mit einem wirklich schön klingenden melodischen Gesang. Ich weiß nicht ob sie Worte in ihrem Gesang benutze, da ich nicht genau verstehen konnte, was sie von sich gab. Aber es war wirklich schön anzuhören. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie ihren Kopf zu mir.
„Bist du sicher, dass du noch nie etwas mit Zauberei am Hut hattest?“, fragte sie mich mit irritierten Augen.
„Noch nie“, antwortete ich und konnte mir ein Grinsen nur sehr schwer verkneifen.
Ihr Gesicht schaute einfach zu verdutzt aus, als sie bemerkte, dass der Zauber im Holz nicht mehr da war. Aber nicht nur Ramiras überraschtes Gesicht erheiterte mich. Wir kamen vorwärts und das war es, worüber ich froh war. Doch je näher wir an s Ziel kam en, desto mehr machte sich ein u ngutes Gefühl in mir breit.
Das robuste Ebenholz der Tür zersplitterte bei Alex‘ nächsten Schlag und auch das überdimensionale Vorhängeschloss brach bei geringerem Kraftaufwand, als bei unserem ersten Versuch. Mit einem Grinsen, welches nur von einem Mann kommen konnte, der soeben seine Männlichkeit in Form von roher Gewalt unter Beweis gestellt hatte, öffnete er mit vorgetäuschter Bescheidenheit die Tür und trat als Erster hindurch. Die anderen folgten Alex‘ Beispiel und gingen einer nach dem anderen weiter. Ich wollte natürlich auch weitergehen, aber meine Beine streikten plötzlich und dieses eigenartige Gefühl wurde noch unangenehmer. Ich schätzte, wir waren am Ziel. Und das, was uns erwartete, war alles andere , als erfreulich .
„Na los, lass uns weitergehen“, hauchte William mir ins Ohr.
Er spürte die Unruhe, die mich einhüllte wie dunkler Nebel. Ich nickte tonlos und ließ ihm den Vortritt. William verschränkte seine Finger in meine und zog mich mehr oder weniger hinter sich her. Ein gruseliger Schauer rannte meinen Rücken entlang, als wir die Schwelle überschritten. Hinter dem großen halbrunden Tor, welches wir als letztes durchbrochen hatten, standen meine Freunde wie angewurzelt in einem schlampigen Halbkreis. Ich streckte meine Fühler aus, um ein Bild davon zu bekommen, was in ihnen vorging. Meine Vorahnung hatte mich also nicht getäuscht. Blankes Entsetzen zog sich von Einem zum N ächsten. Und auch William und ich blieben abrupt stehen, als wir sahen, was wir lieber nicht gesehen hätten. Unzählige Menschen, blutüberströmt, krank und verängstigt. Einge kerkert zu mehreren in winzige n Zellen, in einer dunklen, modrigen, feuchten und kalten Gruft. Ohne wärmende Sonne oder Tageslicht. Die Böden waren mit Heu und wenigen jahrzehntealten Matratzen notdürftig ausgelegt. Es gab keine ordentliche Waschgelegenheit. Nur ein schwaches Rinnsal mitten durch den Raum. Zu wenig um sich zu reinigen oder etwa zu trinken. Ihre Kleidung war schmutzig und zerrissen . Es stank nach Urin und Exkrementen . Die eingeschüchterten Augen der Menschen starrten uns aus stummer Verzweiflung an. Es war ihnen anzusehen, dass sie nicht damit rechneten, dass wir zu ihrer Rettung kamen, sondern sie eher als unsere nächste Mahlzeit dienten.
Meine Schutzwand war mittlerweile zu meiner zweiten Haut geworden, doch die Emotionen dieser Menschen prügelten unablässig auf mich ein. Sie zerrten und nagten an mir und ich beeilte mich, ihre Gemüter etwas zu besänftigen und hauchte jedem von
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