Finsteres Verlangen
»Hallo.«
Eine Sekunde lang war er still, dann: »Moment, sie ist hier, bleiben sie dran.« Ein blasser männlicher Arm stieß aus dem Deckenchaos und hielt das Gerät in meine Richtung. Aber ich war noch eingekeilt und kam nicht heran. Ich stieß Micah an. »Micah, beweg dich, ich muss ans Telefon.«
Er gab einen unartikulierten Laut von sich und drehte sich von mir weg auf die andere Seite. Nathaniel nahm Zane das Telefon aus der Hand, bevor ich es ihm abnehmen konnte.
Er klang am wachsten. »Wen darf ich melden?«
Endlich saß ich aufrecht im Bett. »Gib mir das Handy.«
Nathaniel gab es mir. »Es ist Zerbrowski.«
Eine Sekunde lang ließ ich seufzend den Kopf hängen, dann drückte ich es ans Ohr. »Ja, Zerbrowski, was gibt’s?«
»Wie viele Leute haben Sie bei sich im Bett, Blake?«
»Geht Sie nichts an.«
»Einer klang wie eine Frau. Wusste gar nicht, dass Sie auch in diese Richtung swingen.«
Ich drückte den Knopf an meiner Armbanduhr, der das Zifferblatt aufleuchten ließ. »Zerbrowski, wir haben erst zwei Stunden geschlafen. Wenn Sie nur anrufen, um mein Sexualleben zu kontrollieren, kann ich ja weiterschlafen.«
»Nein, nein, Entschuldigung. Es ist nur«, er lachte leise, »es hat mich verblüfft. Ich werde versuchen, Sie so wenig wie möglich damit aufzuziehen, aber Mann, so viel Munition geben Sie mir sonst nie. Da können Sie mir nicht vorwerfen, dass es mich abgelenkt hat.«
»Sagte ich schon, dass ich nur zwei Stunden geschlafen habe?«
»Ja.« Er klang deprimierend munter. Jede Wette, er hatte schon Kaffee getrunken.
»Ich zähle jetzt bis drei. Wenn Sie dann nichts Interessantes von sich gegeben haben, lege ich auf und schalte das Handy aus.«
»Wir haben eine frische Leiche.«
Ich schob mich mit den Fersen bis ans Betthaupt und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. »Ich höre.« Micah blieb zusammengerollt auf der Seite liegen, aber Nathaniel kam mir nach und schmiegte sich wieder an mich. Cherry und Zane lagen reglos unter den Decken. Ich glaube, sie schliefen schon wieder.
»Es war derselbe Täter.« Seine Heiterkeit war verschwunden. Er klang müde. Ich fragte mich, wie viel Schlaf er bekommen hatte.
Ich war jetzt hellwach und aufgeregt. »Wann?«
»Sie wurde im Morgengrauen gefunden. Wir sind noch nicht lange am Tatort.«
»Ich komme gleich hin. Aber wird Dolph auch dort sein?«
»Nein«, sagte Zerbrowski, »der hat Urlaub.« Er senkte die Stimme. »Der Oberboss hat ihm gesagt, dass er entweder freiwillig bezahlten Urlaub nimmt oder ohne Bezahlung suspendiert wird.«
»Okay, wo sind Sie?«
Es war wieder in Chesterfield. »Er bewegt sich innerhalb eines ziemlich kleinen Gebiets«, meinte ich.
»Ja.« Zerbrowski klang wirklich müde.
Fast hätte ich gefragt, wie er sich hielt, aber das hätte gegen den Männerkodex verstoßen. Da muss man nämlich so tun, als fiele einem nicht auf, wenn der andere ein Problem hat. Man übergeht es, und dann wird’s schon wieder. Manchmal verstoße ich gegen den Kodex, weil ich eine Frau bin, aber heute nicht. Zerbrowski hatte noch einen langen Tag vor sich, und er war der leitende Ermittler. Er konnte es sich nicht leisten, auf seine Befindlichkeit zu achten. Es war wichtiger durchzuhalten, als seine Gefühle zu verstehen.
Zerbrowski setzte zur Wegbeschreibung an. Ich musste ihn bitten, zu warten, bis ich Stift und Papier hatte. Im Schlafzimmer gab es beides nicht. Dann fiel mir der Lippenstift ein. Zerbrowski lachte sich schlapp, bis ich den Lippenstift gefunden hatte und endlich auf den Badezimmerspiegel schreiben konnte.
Japsend sagte er: »Danke, Blake, das hat richtig gutgetan.«
»Schön, dass ich mal für Freude sorge.«
Mir fiel ein, worüber ich mit Jason gesprochen hatte. Ich schlug Zerbrowski vor, mit einem Werwolf die Spur des Täters aufzunehmen.
Eine Minute lang war es totenstill. »Dafür werde ich mit Sicherheit keine Erlaubnis bekommen.«
»Sie leiten die Ermittlung.«
»Nein, Anita, wenn Sie noch mal einen Lykanthropen mitbringen, wird der genauso in die Mangel genommen wie Schuyler. Tun Sie das nicht. Das artet hier bald zur Hexenjagd aus.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, dass es nicht mehr lange dauert, dann bringen die jeden Gestaltwandler zum Verhör an.«
»Die ACLU wird Sturm laufen«, sagte ich.
»Ja, aber erst wenn wir ein paar Leute zu lange festgehalten und befragt haben.«
»Es ist keiner der hiesigen Lykanthropen, Zerbrowski.«
»Ich kann dem Oberboss nicht erzählen, dass unser Mörder
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