Finsteres Verlangen
war zornrot im Gesicht. Er schrie nicht, aber das war auch gar nicht nötig.
Merlioni ging vorsichtig um Dolph herum und wollte Jason beim Arm nehmen. Ich hielt ihn mit einer Hand zurück.
Merlioni blickte zu Dolph, dann entfernte er sich ein Stück, vielleicht um aus der unmittelbaren Schusslinie herauszukommen.
»Gibt es hinter dem Haus einen Garten?«, fragte ich.
»Warum?«, knurrte Dolph.
»Merlioni kann ihn dorthin bringen. Dann ist er draußen und trotzdem vor den Reportern sicher.«
»Nein«, sagte Dolph, »er verschwindet hier ganz. Komplett.«
Meine Kopfschmerzen kamen zurück. Noch war es nur ein leiser Druck hinter einem Auge, aber der versprach mehr. »Dolph, ich hab heute nicht die Kraft für solchen Scheiß.«
»Was für Scheiß?«
»Für Ihren Scheiß, weil irgendjemand kein reinrassiger Mensch ist«, sagte ich und klang müde, nicht ärgerlich.
»Raus hier.«
Ich sah zu ihm auf. »Was haben Sie gesagt?«
»Raus hier. Nehmen Sie Ihren Werwolf mit und fahren Sie nach Hause.«
»Sie Scheißkerl.«
Er bedachte mich mit dem Blick, vor dem schon viele ausgewachsene Polizisten eingeknickt waren. Ich war zu müde und zu angewidert, als dass er mich damit einschüchtern konnte.
»Ich habe Ihnen gesagt, dass ich zum Fahren zu schwach auf den Beinen bin, nachdem Sie mich geweckt hatten. Sie haben mir erlaubt, einen Fahrer mitzubringen, es brauchte nicht mal ein Kollege zu sein. Sie haben nichts davon gesagt, dass es ein Mensch sein muss. Nachdem Sie mich also hierhergescheucht haben, wollen Sie mich jetzt nach Hause schicken, ohne dass ich mir den Tatort angesehen habe?«
»Ja«, sagte Dolph und verschluckte sich fast an dem einen Wort.
»Nein, das werden Sie nicht tun«, sagte ich.
»Das ist mein Mordfall, Anita, und ich bestimme, wer bleibt und wer geht.«
Allmählich wurde ich ärgerlich. Selbst Freunden kann man nur so und so viel durchgehen lassen. Ich stellte mich vor Jason und damit dichter vor Dolph. »Ich bin nicht aufgrund Ihrer Erlaubnis hier, Dolph. Ich bin jetzt Bundesmarshal und habe das Recht, jeden übernatürlichen Kriminalfall zu untersuchen, bei dem ich es für richtig halte.«
»Sie widersetzen sich meiner Anordnung?« Er sprach jetzt sehr ruhig, nicht hitzig, sondern tonlos, und das hätte mir Angst machen sollen. Aber ich hatte vor Dolph keine Angst. Hatte ich noch nie gehabt.
»Wenn ich der Ansicht bin, dass Ihre Anordnung die Ermittlungen behindern, dann ja.«
Er trat einen Schritt auf mich zu und ragte bedrohlich über mir auf. Doch an so was war ich gewöhnt. Viele Leute ragen über mir auf. »Stellen Sie nie wieder meine Professionalität in Frage, Anita, nie wieder.«
»Wenn Sie sich wie ein Profi benehmen, dann nicht.«
Er ballte die Fäuste. »Wollen Sie sehen, warum ich ihn hier nicht haben will? Wollen Sie es sehen?«
»Ja.«
Er packte mich am Oberarm. Ich weiß nicht, ob er mich bis dahin jemals angefasst hatte. Ich war völlig perplex, und erst als er mich schon ins Esszimmer gezogen und geschubst hatte, löste sich meine innere Lähmung. Ich blickte über die Schulter und bedeutete Jason mit einem Kopfschütteln, ruhig zu bleiben. Das gefiel ihm sicher nicht, doch er lehnte sich gegen die Küchentheke. Kurz sah ich noch Merlionis entsetztes Gesicht, bevor es aus meinem Blickfeld verschwand.
Dolph zog mich zur Treppe, und als ich stolperte, ließ er mir keine Zeit, auf die Beine zu kommen, sondern zerrte mich buchstäblich die Stufen hinauf.
Hinter uns ging die Tür auf und ich hörte einen Mann energisch sagen: »Lieutenant!« Ich glaubte die Stimme zu erkennen, war mir aber nicht ganz sicher. Umdrehen konnte ich mich nicht, ich war zu sehr damit beschäftigt, mit den Schienbeinen nicht an die Stufenkanten zu schlagen.
Es gelang mir nicht, mit den Füßen Halt zu finden. Die Kopfschmerzen explodierten hinter meinen Augen, und die Welt wankte.
Ich fand die Sprache wieder. »Dolph, Dolph, verdammt noch mal!«
Er stieß eine Tür auf und riss mich auf die Füße. Ich taumelte in einer Welt voll bunter Schlieren. Dolph hielt mich an beiden Oberarmen gepackt, sodass ich nicht umkippen konnte.
Stückchenweise stellte sich bei mir ein zusammenhängendes Bild ein, als wäre die Szene ein Videopuzzle. An der hinteren Wand stand ein Bett. Ich sah weiße Kissen vor einer lavendelblauen Tapete, dann einen Frauenkopf mit einem Teil der Schultern. Er sah nicht echt aus, eher als hätte jemand eine Attrappe gegen die Kissen gelehnt. Von den Schlüsselbeinen
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