Finsterherz
Als sie Katta sahen, zuckten beide zusammen. Stefan wich zurück. Sie vergewisserte sich, dass der Riegel an der Tür auch wirklich fest saß.
»Hol die Pistole!«, rief sie.
Weder Mathias noch Stefan rührten sich.
»Er ist da!«
Verzweifelt begann sie nach der Pistole zu suchen, die Stefan vom Schoß gefallen war. Schließlich entdeckte sie sie unter dem Tisch und angelte auf allen vieren danach, als sich schon der Türbalken ins Zimmer hineinbog und der Rahmen knackte. Entsetzt starrte sie darauf. Draußen drückte Walter erneut die Schulter gegen das Türblatt. Dieses Mal bog es sich stärker, Holz splitterte und der Riegel gab nach.
Er sah fürchterlich aus, denn er war in Brand gesteckt und begraben worden. Er hatte die Arme ausgebreitet, um sie aufzuhalten, falls sie weglaufen wollten.
»Wo ist es?«, zischte er.
Katta hielt den Pistolenschaft umklammert. Sie hatte noch nie zuvor mit einer Pistole geschossen, eine solche Waffe noch nicht einmal in der Hand gehalten. Wie schwer sie war! Sie wusste nicht, wie man mit ihr umgehen musste. Sie spannte den Hahn, wie sie es bei anderen Leuten gesehen hatte; es erforderte viel Kraft, aber sie schaffte es, dass er mit einem Klicken einrastete. Immer noch auf Knien zielte sie auf Walter und drückte ab. Es blitzte, der Schuss löste sich und der Knall hallte ohrenbetäubend in dem kleinen Raum wide r – hinter Walter, wo die Kugel nun in der Wand steckte, rieselte Putz von der Decke. Sie hatte ihn nicht einmal gestreift. Mit einem Aufschrei stürzte er sich auf Mathias, der aufs Bett sprang und auf der anderen Seite wieder hinunter.
Stefan war im Weg. Er schien nicht zu begreifen, was geschah. Walter packte ihn und versetzte ihm mit dem Handrücken einen Schlag ins Gesicht. Stefan taumelte gegen die Wand, rutschte daran hinunter und rührte sich nicht mehr. Walter stierte Mathias an, der auf der anderen Seite des Bettes stand.
»Wo ist es, mein Kleiner?«, fragte er.
»Er kann uns nicht beide fangen«, sagte Katta, »nur einen von uns.«
Ein Feuerhaken aus Eisen lehnte am Kami n – keine großartige Waffe, aber besser als nichts. Sie ließ die Pistole fallen, griff nach dem Eisenhaken und hielt ihn zitternd mit beiden Händen. Walter lächelte. Das würde ein gutes Spiel werden. Er zog sein langes Messer aus dem Mantel und ging langsam auf sie zu. Sie umkreiste den Tisch und achtete darauf, dass sie immer die Tischplatte zwischen sich und Walter hatte. Es hieß: jetzt oder nie.
»Lauf!«, rief sie, holte aus und schlug mit dem Feuerhaken nach Walters Kopf. Sie verfehlte ihn. Er packte das vordere Ende der Eisenstange mit einer Hand und entriss sie ihr. Doch Mathias war bereits wieder aufs Bett gesprungen und auf der anderen Seite hinunter. Der Zwerg machte einen Satz hinter ihm her und stach mit dem Messer zu, erwischte aber nur den Vorhang am Bett. Der riss und fiel herunter, und in diesem Augenblick der Verwirrung, als Walter sich unter den schweren Stoffbahnen hervorzukämpfen versuchte, waren Katta und Mathias auch schon zur Tür hinaus und rannten den Gang hinunter. Doch sie hatten nur einen winzigen Vorsprung, dann war ihnen der Zwerg wieder auf den Fersen. Sie hörten ihn kommen und rannten, aber er war zu schnell für sie. Er erwischte Mathias am Nacken und schleuderte ihn gegen die Wand. Mathias sackte in sich zusammen. Katta drehte sich um.
Walter stand über Mathias und hatte das Messer in der Han d – als König ihn erschoss.
Was Katta tun musste
König hatte den Knall gehört, als Katta die Pistole abgefeuert hatte. Alle im Haus hatten ihn gehört. Aber nur der Köhler hatte gewusst, was das bedeutete. Er war sofort aufgesprungen, und ohne sich darum zu kümmern, wer ihm in dem überfüllten Raum in die Quere kam, hatte er sich einen Weg zur Tür gebahnt. Im Laufschritt eilte er die Treppe hinauf, die entsicherte Pistole schon in der Hand.
Die Zimmertür war eingedrückt worden. Stefan lag an einer Wand zusammengekauert auf dem Boden. König kniete sich neben ihn und drehte ihn um. Der Junge war bewusstlos. Er hatte eine tiefe Wunde quer über der Stirn und sein Gesicht war eine blutige Maske. König erfasste das Durcheinander mit einem Blick: den umgestürzten Tisch, die heruntergerissenen Bettvorhäng e – aber keine Spur von Mathias und Katta.
Er fluchte.
Sie waren nicht an ihm vorbeigekommen, also mussten sie in die andere Richtung gelaufen sein. Er rannte aus dem Zimmer und den leeren Gang hinunter. Im Laufen hörte er das
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