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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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wollen nur helfen.«
    Marguerite berührte die rote Karte.
    »Ihr wisst nicht zufällig, wo der Junge ist?«
    »Ah, wenn wir das nur wüssten!« Anna-Maria blickte zu Lutsmann auf und griff Hilfe suchend nach seiner Hand. Er tätschelte sie beruhigend. »Wir haben ihn seit diesem traurigen Vorfall nicht mehr gesehen.«
    Marguerite berührte die rote Karte.
    »Wie traurig für euch«, sagte Häller. »Habt ihr gewusst, dass der vermaledeite Junge, bevor er verschwunden ist, etwas an sich genommen hat, das ihm nicht gehörte?«
    Anna-Marias geschminktes Gesicht wurde zu einem Bild beschämter Empörung. »O h – oh! Der Halunke!«
    »Ich will es wiederhaben«, sagte Häller kühl. »Ihr wisst nicht zufällig, wo es ist?«
    »Wie denn?«
    Marguerite berührte die rote Karte.
    Häller beugte sich vor. Auf dem Tisch stand eine kleine silberne Glocke. Er läutete und lehnte sich wieder zurück. Die Tür ging auf und der Mann, der sie die Treppe heraufgeführt hatte, kam herein. Er machte eine kleine Verbeugung.
    »Ist mein Diener schon zurück?«, fragte Häller.
    »Ja, Doktor Häller«, erwiderte der Mann.
    »Schick ihn zu mir.«
    Der Mann verbeugte sich erneut und schloss die Tür.
    »Wie können wir Euch nur helfen?«, fragte Anna-Maria. Sie wollte das Gespräch in eine günstigere Richtung lenken.
    Doch Häller antwortete nicht. Er schob seinen Stuhl zurück und trat ans Fenster. Von dort aus konnte er auf die Dächer der Stadt blicken, die wie ein Flickenteppich unter ihm ausgebreitet waren, dazu die schmalen Straßen, das glitzernde Eis im Hafen, die Inseln ein Stück weiter draußen. Die Glocken läuteten in der kalten, sauberen Luft.
    »Zuweilen machen die Menschen Fehler«, sagte er. »Sie stellen etwas als wahr hin, was ganz und gar nicht wahr ist. So wie ihr es eben getan habt.«
    Anna-Maria blickte zu Lutsmann.
    »Ich versichere Euch, mein Her r …«, begann Lutsmann, doch sein Satz blieb unvollendet.
    In der getäfelten Wand hinter Häller öffnete sich eine Tür und eine gedrungene, tonnenförmige Gestalt betrat den Raum. Sie war kleiner als ein Mann und größer als ein Kind.
    »Wenn ihr mir jetzt die Wahrheit sagt, wird euch nichts geschehen«, versprach Häller. »Mein Wort darauf.«
    Hinter ihm auf dem Tisch entblößte Marguerite ihre spitzen Zähne, lächelte ihr reizendstes Lächeln und berührte die rote Karte.
    Der Knebel schnitt in Mathias’ Mundwinkel. Anna-Maria hatte sichergehen wollen, dass er keinen Ton von sich gab. Sie hatte ihn an Händen und Füßen gefesselt und ihn hinter das Feldbett in die Ecke des Wagens gestoßen. Dann hatte sie den Flickenteppich über ihn geworfen und noch einen Stuhl vor ihn hingeschoben, damit man ihn nicht sah. Danach hatte sie sich geschminkt, die Lippen so dunkel wie Blut, und ihren besten Mantel angezogen. Sie hatte kurz Lutsmanns Äußeres überprüft und sich mit ihm auf den Weg zu Häller gemacht. Aber es gab da jemanden, der sie beim Verlassen des Wagens beobachtet hatte.
    Estella hatte genug von Lutsmann und Anna-Maria. Die Ohrfeige in der Nacht, als Gustav starb, hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie hatte beschlossen, ihre Sachen zu packen und zu gehen. Sie wartete nur noch auf den richtigen Ort und den richtigen Zeitpunkt. Felissehaven erfüllte beide Bedingungen.
    Sie hatte ihre wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und sich dann gedacht, dass sie sich auch ein bisschen bei Lutsmann bedienen könnt e – oder besser noch: bei Anna-Maria. Dies erschien ihr nur recht und billig.
    Für den Diebstahl beschloss sie, einen günstigen Moment abzuwarten. Als sie sah, dass Anna-Maria, herausgeputzt wie ein Zirkuspferd, und Lutsmann in den glänzenden schwarzen Stiefeln eines Zirkusdirektors die Treppe herunterschritten, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Anna-Maria hängte sich bei Lutsmann ein und Arm in Arm gingen die beiden davon. Estella wartete noch ein paar Augenblicke, aber sie kamen nicht zurück.
    Das Schloss an der Tür konnte Estella nicht aufhalten. Sie wusste, dass in einer Kiste unter dem Wagen das Werkzeug war, das für den Bühnenaufbau benötigt wurde. Sie öffnete die Kiste und holte einen langen, scharfen Meißel heraus, den sie zwischen Türblatt und Rahmen steckte und so lange hin und her bewegte, bis das Schloss nachgab. Dann schlüpfte sie in den Wagen, machte die Tür hinter sich zu und blickte sich blinzelnd Estella um.
    An einer Seitenwand des Wagens hatte Lutsmann ein herunterklappbares Brett angebracht, das ihm als

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