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Finsterherz

Finsterherz

Titel: Finsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Schreibtisch und Schalter diente. Hierher kamen alle Zirkusmitglieder, um ihren Lohn abzuholen. Falls sie welchen bekamen. Dahinter waren kleine Schubladen, vollgestopft mit Unterlagen und Rechnungen. Estella zog eine nach der anderen heraus und kippte den Inhalt auf den Boden, aber es war nichts darin, was des Stehlens wert gewesen wäre. Sie fuhr mit der Hand über die Regale, auf denen Teller und Tassen standen. Dann nahm sie den Deckel von der Teekanne, drehte sie um und schüttelte sie, aber sie war leer, und so ließ sie auch die Kanne fallen. Irgendwo musste doch etwas sein. Sie drehte sich um und betrachtete das Feldbett.
    Vielleicht unter der Matratze?
    Sie zog die Decken und Laken weg und hielt dann inne und lauschte. Sie hatte ein Geräusch gehört. Es war aus der Ecke gekommen. Erst jetzt bemerkte sie den Stuhl und den Teppich. Sie wirkten fehl am Platz. Instinktiv blickte sie zu der Stelle auf dem Boden, wo der Teppich hingehörte, und dann wieder dahin, woher das Geräusch gekommen war. Neugierig geworden, rückte sie den Stuhl beiseite und zog den Teppich weg.
    Zunächst begriff sie nicht, was sie da sah. Mathias lag mit dem Rücken zu ihr in die dunkle Ecke gequetscht, das Gesicht zur Wand. Sein Mantel, voller Sirup und Asche, hätte auch eine schmutzige alte Decke sein können. Mehr konnte sie von ihm nicht erkennen. Sie zupfte an dem Bündel und erst da merkte sie, dass sie ein Kind vor sich hatte. Sie bückte sich, schob einen Finger unter sein Kinn, drehte sein Gesicht zu sich he r – und erkannte ihn.
    »Nun, nun«, sagte sie, »wen haben wir denn da?«
    Sie holte das scharfe Messer, das in einer der Schubladen gelegen hatte, und schnitt nicht eben vorsichtig die Schnur durch, die den Knebel hielt, damit Mathias sprechen konnte. Er hatte kaum die Kraft dazu.
    »Hilf mir«, flüsterte er. »Bitte hilf mir.«
    Estella musterte ihn, wie eine Eidechse eine Fliege beäugt. Dann brachte sie ihr Gesicht näher an seines und fragte mit der ihr eigenen, samtweichen Stimme: »Und warum sollte ich das tun?«

Estella
    Mathias konnte den Kopf nicht weit genug drehen, um zu sehen, was Estella tat. Er hörte sie im Wagen hin und her gehen, konnte aber nur erraten, was sie gerade tat, als sie die letzten Decken vom Bett zog und die Matratze auf den Boden zerrte. Dort fand sie Lutsmanns und Anna-Marias Geld, verwahrt in einer Metallkassette, die sie unten in die Matratze gestopft hatten. Wenigstens klang es wie Münzen, als sie die Kassette schüttelte, und das genügte ihr. Sie nahm den Meißel, mit dem sie die Tür aufgebrochen hatte, und stemmte den Deckel auf. Als der Deckel plötzlich aufsprang, hörte Mathias das Schaben von Metall auf Metall und das Prasseln von Münzen auf dem Holzfußboden. Estella sammelte die Geldstücke auf und dann hörte er sie hinausgehe n – das Geräusch ihrer Füße erklang auf den Stufen draußen. Doch etwas ließ sie innehalten und sie kam rasch in den Wagen zurück. Mathias versuchte den Kopf zu drehen.
    »Bitte«, sagte er.
    Sie schob das Bettgestell aus dem Weg, trat in die entstandene Lücke und beugte sich über ihn. Sie packte ihn an den Haaren und drehte sein Gesicht zu sich herum. In der anderen Hand hielt sie das Messer, mit dem sie die Knebelschnur durchtrennt hatte.
    »Du würdest mich verraten, mein Hübscher, nicht wahr?«, zischte sie. »Du würdest sagen, wer hier war, stimmt’s? Um deinen eigenen dreckigen Hals zu retten.«
    Plötzlich überfiel ihn große Angst, weil er ahnte, was sie als Nächstes tun würde.
    »Nein«, sagte er und seine Stimme zitterte wie ein verängstigter Vogel. »Ich würd’s nie verraten.«
    »Oh doc h – wenn sie dich dazu zwingen. Dann wartet der Strick auf mich, sollten sie mich je schnappen.« Sie packte sein Haar fester, die Schneide des Messers strich an seinem Gesicht entlang.
    »Nein«, beteuerte Mathias rasch. »Ich würde dich nicht verraten.«
    »Aber ganz sicher kann ich mir nicht sein. Und wir waren doch immer so … gute … Freunde.«
    »Ja!«
    »Deshalb helfe ich dir jetzt.« Ihr Ton war grausam. »Das machen Freunde doch, oder? Sie helfen einander.«
    »Ja«, sagte er, aber seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
    »Dann glauben sie, dass du es warst, der ihr Geld gestohlen hat. Und sie legen den Strick um deinen Hals, wenn sie dich finden, nicht um meinen.«
    Einen Augenblick lang hielt sie ihm das Messer vor die Augen, dann schnitt sie die Fesseln an seinen Handgelenken und Knöcheln durch, hob die Kassette

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