Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
»Ich hoffe, m’Lady wird hier in Dark Haven sehr lange ihr Zuhause finden. Wir haben so viel von Euch gehört, als wir diesen Raum hier für Euch vorbereiteten. Ich fühle mich, als hätten wir uns schon lange vorher getroffen.«
»Wirklich?«
Lisette nickte. Ihr rotes Haar war in einem langen Zopf um ihren Kopf geschlungen und sie war in ein eng anliegendes dunkelblaues Gewand gekleidet, um Carina zum Fest heute Abend begleiten zu können. »Lord Gabriel hat uns einiges über Eure Heilkünste erzählt. Wenn ich mir gestatten darf, das zu sagen: Lord Jonmarc hat mit jedem Tag glücklicher ausgesehen, der seinem Aufbruch nach Margolan Euch zu holen, näher rückte.«
Carina hob die Tasse mit heißem Tee und barg sie in ihren Händen. »Segensreiche Lady! Ich habe niemals erwartet, dass schon an meinem ersten Tag so viele Leute eine Heilerin bräuchten.« Sie nippte an ihrem Tee. »Ich glaube, ich verstehe, was Jonmarc mir über den Strom sagen wollte. Sobald ich angefangen hatte zu heilen, fühlte ich, dass etwas meine Energie absaugte. Alles brauchte doppelt so viel Kraft, wie es hätte kosten dürfen. Es war, als stemme man sich gegen den Wind.«
»Sie haben Glück, dass Ihr hier seid«, sagte Lisette und schüttelte den Rock von Carinas Festgewand aus.
»Gibt es denn keine Vayash-Moru-Heiler? Ich weiß, dass die Vayash Moru Magier sein können.«
Lisette schüttelte den Kopf. »Heilmagie verträgt sich nicht mit der Dunklen Gabe. Ein Heiler kann nicht hinübergebracht werden.« Sie machte eine Pause. »Sagt mir, m’Lady, seid Ihr auch eine Geistheilerin?«
»Noch nicht, auch wenn ich das vielleicht eines Tages werde. Warum?«
»Meine Art hat keine Verwendung für die üblichen Gaben eines Heilers. Aber nach so vielen Lebensaltern wäre es schön, wenn man vergessen könnte. Ich spüre, dass Ihr Euch unter so vielen Vayash Moru noch nicht wohl fühlt.«
»Es wird sicher einige Zeit brauchen, bis ich mich daran gewöhnt habe«, gab Carina zu. »Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Ihr ›fühlt‹ euch für meine Heilsinne anders an. Ich war noch nie unter so vielen auf einmal und es wirft mich ein wenig aus der Bahn.«
»Das wird heut Abend nicht anders sein. Die Mitglieder des Blutrates werden anwesend sein und ihre ›Familien‹ ebenfalls.« Sie wurde ernst. »M’Lady, bitte wandert heute Nacht nicht alleine herum. Nicht, wenn Uri hier im Herrenhaus ist.«
Carina runzelte die Stirn. »Wieso nicht?«
»Ich sage Euch das im Vertrauen, m’Lady, aber Uri ist aus schlechtem Haus. Er glaubt nicht daran, dass ein Sterblicher der Herr von Dark Haven sein sollte, und seine Brut ist noch schlimmer als er. Bitte geht sicher, dass Ihr immer mit jemandem zusammen seid, dem Ihr vertraut.«
»Danke.« Carina setzte die Teetasse ab. »Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir uns jetzt anziehen. Es wäre nicht gut, wenn wir zu spät kommen.«
Die große Halle erstrahlte im Licht der Kerzen und Spiegel. Carina nahm Jonmarcs Arm und betrat den Raum unter Jubeln und Applaus. Die Gäste dieses Abends waren so festlich angezogen, als wären sie bei Hofe, in üppigen Samtstoffen und den reichen, schweren Brokaten des Winters. Durch die Gerüche nach Punsch und gewürztem Wein konnte Carina den nach frischem Blut riechen. Und während die Gäste gestern Abend beinahe genauso aus Vayash Moru wie aus Sterblichen bestanden hatten, war Carina nach einem Blick durch den Raum sicher, dass heute nur wenige Sterbliche in der Menge waren.
»Ihr seht wundervoll aus, m’Lady.« Yestin verbeugte sich tief zur Begrüßung. Eiria knickste. »Dürfen wir Euch Gesellschaft leisten?«
»Das ist seine besonders höfliche Art zu sagen, dass sie unsere Leibwächter für heute Abend sind«, meinte Jonmarc.
»Das klingt so groß. Lord Gabriel hat gefragt, ob wir Euch dabei helfen, Euch vorzustellen.« Yestin hielt ein Glas Portwein hoch. Eiria verschwand und kam mit je einem Glas warmem Punsch für Carina und Jonmarc wieder.
»Sind alle da?«, fragte Jonmarc leise.
»Vom Rat jeder außer Uri. Typisch.«
Jonmarc leerte sein Punschglas. »Wenn wir Glück haben, gibt es eine Kneipe, die er ausrauben kann.«
»Warum sollten wir so ein Glück haben?«, ließ sich Riqua hinter ihnen vernehmen. »Willkommen in Dark Haven, Lady Carina. Und Glückwünsche zu Eurer Verbindung.«
»Ihr seid sehr freundlich«, erwiderte Carina. »Ihr hattet keine Schwierigkeiten auf Eurer Rückreise von Shekerishet?«
»Ich bin sicher, dass wir
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