Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
die gleiche geblieben, seit Carroway an den Hof gekommen war. Nur Paiva war für wenige Wochen von ihnen getrennt gewesen – sie hatte während Jareds Schreckensherrschaft eine Zeitlang gebraucht, um über den Verlust ihrer Familie hinwegzukommen. Sie war die einzige Überlebende und wenn sie von diesen Zeiten sang, bekam sie gar nicht mehr mit, dass sie weinte.
Ein großer Krug Ale und Bierseidel überall zeigten die Großzügigkeit des Wirts. Der »Wütende Drache« war eines der wenigen Gasthäuser, wo die gemeinen Bürger so versierte Barden hören konnten. Auch wenn sie nur das Probepublikum für ein neues Lied oder eine Ballade waren, die noch nicht ganz ausgefeilt war, schien ihnen das nichts auszumachen. Es war auch der beste Ort, um zu hören, was die Leute außerhalb des Palasts für wichtig genug hielten, um darüber zu klatschen – was Carroway einen Einblick in die Gedanken der Menschen gab.
»Was bringt dich in diesem Sturm her, noch dazu angezogen wie zu einem Hahnenkampf?«, fragte Helki.
»Ich sage dir immer wieder, dass er zu groß für einen Hahn ist«, meinte Macaria und streckte sich. »Ein Pfau vielleicht, aber kein Hahn.«
»Paiva wollte uns gerade ein Liedchen singen, das sie im Salon von Lady Jadzia gehört hat«, meinte Helki. »Setz dich.« Carroway ließ sich auf einer Bank neben Macaria nieder. Sie rutschte ein wenig zur Seite, um Platz zu machen, und vergrößerte dabei den Abstand zwischen ihnen mehr, als es Carroway lieb sein konnte. »Na los, Paiva«, sagte Helki ermutigend. »Spiel für uns.«
Paiva grinste breit. »Ich fürchte, es ist eher ein Schanklied als feine Musik«, schwächte sie ab. »Aber es hat eine lebhafte Melodie und man kann mitsummen, also denke ich, es wird sich schnell verbreiten.«
In den Ländern des Nordens, da wachsen sie hoch
und die Nordmänner sind die Größten noch,
Und die Mädchen, so sagen sie, mögen es sehr,
zu verbringen die Tage mit Schwert und Speer. Hey! Hey!
Oh, die Männer im Norden bestellen kein Feld
und die Maiden dort zieht man nicht gerne ins Zelt.
Nach Süden zur Hochzeit bringt man sie dann
mit einem Schwert und dem Speer und hey, hey, hey!
>Auf Nordmänner beim Kampf man lieber nicht baut,
in der Schlacht retten sie nur ihre eigene Haut.
Sie schicken ihre Maiden um des Nachbarn Bier
mit einem Schwert und ’nem Speer und hey, hey, hey!
Die Moral der Geschicht ist schlecht, aber wahr,
die Männer des Nordens sind ein Haufen gar –
Und sie schicken die Maiden, um Arbeit zu tun,
mit einem Schwert, einem Speer und einem Hey, hey, hey!
Im Land hoch im Norden –
»Das ist genug!«, schnappte Carroway und sprang auf. Paiva ließ beinahe ihre Laute vor Überraschung fallen, bevor sie hinaus auf den Gang flüchtete. Die anderen Barden sahen Carroway an, als sei er plötzlich verrückt geworden. Bandele sprang auf die Füße und lief in Richtung Tür.
»Ich gehe ihr nach.« Bandele warf Carroway einen säuerlichen Blick zu. »Inzwischen kannst du dich ja ein wenig beruhigen.«
»Und was genau sollte das jetzt?«, fragte Macaria, die Hände in die Hüften gestemmt. »Du bist doch sonst kein randalierender Trinker.«
»Ich bin nicht betrunken. Aber ich mache mir Sorgen. Hast du das nicht verstanden? In diesem Lied geht es um Kiara.«
Macaria zuckte mit den Achseln. »Wirtshauslieder gehen oft auf Kosten der Adligen. Deshalb mögen betrunkene Soldaten sie so gern. Und?«
Carroway fuhr sich mit den Händen durch sein langes, schwarzes Haar und begann, auf und ab zu gehen. »Es ist nicht nur ein Wirtshauslied«, sagte er. »Du weißt doch, was alles passiert ist – Zachar ist tot, Malae vergiftet, Mikhail verhaftet. Eadoin hat Gerede unter den Adligen gehört. Statt dass man versteht, dass es einen Verräter unter uns gibt und sich auf Kiaras Seite stellt, beschuldigen einige der Hofleute sie, Unglück an den Hof gebracht zu haben. Es ist schwierig genug, eine ausländische Königin zu sein, wenn der König im Krieg ist. Aber wenn der Hof sich gegen sie wendet …«
»Ich habe auch so etwas gehört«, beichtete Helki. »Ich wollte nichts sagen, bis ich sicher war, dass es nicht einfach nur das Geschwätz von ein paar Hitzköpfen mit zu viel Bier intus war.«
»Ich hab’s auch gehört«, sagte Tadhg.
»Aber warum? Die Hochzeit ist offiziell. Und wenn es nicht Kiara von Isencroft gewesen wäre, dann wäre es eine Prinzessin aus Trevath gewesen, um den Frieden zu bewahren.« Macaria rümpfte verächtlich die Nase.
»Wer auch
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