Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
Befehl eines Königs. »Du musst nicht länger im Schmerz hier verweilen. Ich kann nicht zulassen, dass du die Lebenden plagst. Deine Familie hat dich beerdigt und die Trauerzeit beendet. Es gibt hier nichts, was dich hält außer deiner Wut. Ich kann nicht ungeschehen machen, was Jared getan hat. Aber ich kann dir Ruhe schenken.«
Langsam, als habe eine leichte Brise ihn ergriffen, begann der Geist herumzuwirbeln und wieder Form anzunehmen. Endlich stand Esbet wieder vor ihm. Ihr Gesicht war tränenüberströmt und nicht länger trotzig, und der Ausdruck in ihren Augen zog Tris das Herz zusammen. »Bitte, Herr! Ich möchte heimgehen.«
Tris nickte. Es war ein Risiko, das wusste er, seinen inneren Schild zu senken, aber er spürte keine Böswilligkeit, nur tiefe Trauer. Er löste seinen äußeren Schutzzauber und streckte die Hand nach dem Geist aus. Sie ergriff sie und kam zu ihm.
»Bist du bereit?«
Esbet nickte. Tris schloss seine Augen und sammelte seine Kraft. Das war die größte Gabe eines Seelenrufers: den rastlosen Geistern Frieden schenken zu können und ihnen den Weg ins andere Reich zu bereiten. Tris spürte, wie er selbst die Schwelle zwischen den Lebenden und den Toten auf den Ebenen der Geister überschritt. Er spürte die Anwesenheit der Lady mehr, als dass er sie sah. Es war ihr Aspekt des Kindes, das sich vor ihm manifestierte, ein junges Mädchen mit den durchdringenden, bernsteinfarbenen Augen der Göttin.
Das Kind winkte. Tris begann, die uralten und mächtigen Worte des Übergangsrituals zu murmeln, die die Grenze zwischen den Reichen der Lebenden und der Toten verwischten. Esbet streckte die Arme aus. Sie machte einen zögernden Schritt vorwärts und sah dann wieder unsicher zurück zu Tris, der aufmunternd nickte. Esbet ließ Tris’ Hand los und wagte noch einen Schritt, dann noch einen, bis das Licht sie wie einen warmen, wunderbaren Mantel einhüllte. Tris spürte, dass die Präsenz des Geistes verblasste. So plötzlich, wie die Vision gekommen war, war sie auch wieder verschwunden und ließ Tris allein zurück.
Die Schatten ergriffen ihn, bevor er sich umdrehen und die äußeren Schutzzauber lösen konnte.
Dunkelheit überwältigte ihn durch die magischen Kanäle, die Tris zu den Ebenen der Geister geöffnet hatte. Vom Licht seiner Macht angezogen, schwärmten dunkle Wesen zu den Überresten von Arontalas Blutmagie, die immer noch die Verliese von Shekerishet befleckten. Tausende von Stimmen schrien in seinem Verstand; Schatten umwirbelten ihn wie hungrige Wölfe. Das hier waren keine Geister. Tris war sich sicher. Nicht alle Wesen waren einst lebendig gewesen, die die Ebenen der Geister bevölkerten. Andere hausten hier an den leeren Orten, gierig auf eine Gelegenheit, Macht zu stehlen.
Blaues Feuer drang aus Tris’ Fingern und zwang die Schatten zurück. Er konnte fühlen, wie sie an seiner Lebenskraft saugten und ihm den Atem und seine Magie nahmen. Die Kakophonie der Stimmen machte es ihm schwer, klar zu denken, und Tris hatte Mühe, sich wieder zu konzentrieren. Auch wenn er mittlerweile mehr Übung hatte, als ihm lieb sein konnte, waren diese Begegnungen kraftraubend und schwierig.
Die seelenlosen dimonns wanderten über die Ebenen der Geister und suchten nach Energie. Tris wusste, dass sie hofften, ihn zu überwältigen, ihn auszubluten oder ihn zu vereinnahmen. Seine Magie war stark genug, das zu verhindern. Tris war sich dennoch bewusst, dass jeder Fehler tödlich sein konnte.
Er sprach ein Wort der Macht und ein Vorhang von Feuer loderte um ihn auf. Die Flammen erhellten das Verlies nicht, das Feuer brannte heiß und glühend in den Ebenen der Geister. Die dimonns kreischten vor Zorn auf, aber sie wurden von den Flammen zurückgedrängt. Am Rand seiner Wahrnehmung spürte Tris jetzt andere, genauso gefährliche Geister, die den Kampf beobachteten und darauf warteten, sich an ihm zu laben, wenn er scheiterte.
Er entzog sich selbst noch ein großes Stück seiner verbleibenden Energie und schickte einen weiteren Strahl seiner weiß glühenden Macht über die Ebene der Geister. Ein Grollen wie von Donner erklang in seinem Kopf und kostete ihn fast das Bewusstsein. Schnell, solange er noch dem schwindenden Pfad in seinen sterblichen Körper folgen konnte, floh Tris von den Ebenen der Geister. Ein Tentakel der Dunkelheit folgte ihm und scharfe Zähne rissen eine Wunde auf seinem Knöchel. Tris schickte eine letzte Salve zurück, die den Weg zwischen den beiden Reichen in
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