Fiona
Hütte wieder und stieg auf das Pferd. Binnen Sekunden saß Roger hinter ihr, und sie sprengten in atemberaubendem Tempo davon.
Fiona saß vor einem Stickrahmen und arbeitete an einem Altartuch, das den Heiligen Georg beim Drachentöten darstellte. In einer Ecke war ein Knabe, der Kit bemerkenswert ähnlich sah, und der Heilige Georg… der hatte die Züge von Miles Montgomery. Fiona unterbrach einen Moment ihre Handarbeit, als das Kind in ihrem Leib sie stieß.
Lilian Chatworth saß ihr gegenüber und hielt einen Spiegel so, daß er die unversehrte Hälfte ihres Gesichtes zeigte.
»Ich war damals so schön«, sagte Lilian. »Nicht ein Mann konnte mir widerstehen. Alle waren bereit, mir ihr Leben zu Füßen zu legen. Ich brauchte nur auf etwas zu deuten, und schon wurde es mir geschenkt. «
Sie bewegte den Spiegel auf die entstellte Seite ihres Gesichts hinüber. »Bis die Montgomerys mir das antaten! « zischte sie. »Judith Revedoune war eifersüchtig auf meine Schön heit. Sie ist ein so häßliches, sommersprossiges, rothaariges Ding, daß sie um die Zuneigung meines lieben Gavin bangte. Und ihre Sorge war nur zu sehr begründet. «
Fiona reagierte mit einem übertriebenen Gähnen, ignorierte Lilians haßerfüllten Blick und wandte sich an Roger, der mit brütendem Gesicht, einen Becher Wein in der Hand, vor dem Kamin stand. »Roger, würdest du mit mir ein Stück im Garten Spazierengehen? «
Wie gewöhnlich sah Roger erst auf ihren Leib, bevor er den Blick auf ihr Gesicht richtete.
»Nein, ich muß etwas mit meinem Verwalter besprechen«, sagte er mit einem halben Murmeln, während seine Augen in ihrem Gesicht forschten.
Sie konnte fühlen, was er sagen wollte, was er schon so viele Male gesagt hatte: du hast dich verändert.
Sie war nun seit zwei Wochen wieder bei ihrem Bruder und ihrer »Familie«, und erst hier wurde ihr bewußt, wie sehr sie sich in den fünf Monaten bei den Montgomerys verändert hatte. Die Zeit hatte nicht ausgereicht, um im Haushalt der Chatworth’ irgendeinen Wechsel herbeizuführen; doch für Fiona waren diese fünf Monate ausreichend gewesen, um den Keim für eine neue Persönlichkeit zu legen.
Trotz aller hartnäckigen Beteuerungen, daß Roger sich sehr von Edmund unterschied, sah sie nun, daß Roger mit seinen eigenen Ansichten in seinem Haus nicht durchgedrungen war. In vielerlei Beziehungen war das Haus der Chatworth’ noch so, wie es zu Edmunds Lebzeiten gewesen war. Der Grund, weshalb Roger so unkompliziert mit Lilian unter einem Dach leben konnte, war die Tatsache, daß er sie gar nicht richtig bemerkte. Roger, innerlich so aufgewühlt, konzentrierte all seine Liebe und Fürsorge so sehr auf Fiona und Brian, daß er eigentlich das meiste, was um ihn herum geschah, überhaupt nicht bemerkte.
Fiona, erschöpft von der tagelangen Reise, war von ihrem Pferd gestiegen, als zwei von Rogers Gefolgsleuten, die vorher Edmund gedient hatten, sogleich anzügliche Bemerkungen über sie machten. Sie deuteten an, daß sie es kaum erwarten konnten, sie allein in einer Ecke zu ertappen.
Fionas erste Reaktion war Angst gewesen. So, als hätte sie nie den Besitz der Chatworth’ verlassen. In ihrem Kopf ging sie fieberhaft das Repertoire ihrer Tricks durch, mit denen sie sich früher die Männer vom Leib gehalten hatte. Doch dann fiel ihr Sir Guy wieder ein und wie sie ihm die Zehen gebrochen hatte, wie er wochenlang am Stock gehumpelt war — und wie er dann neben ihr saß, Tränen des Kummers über einen Mann in den Augen, den sie beide liebten.
Sie wollte nicht mehr zu ihren tückischen Methoden zurückkehren. Es hatte zu viel Zeit und Anstrengung gekostet, die Angst vor Männern zu überwinden, und sie würde nicht das aufgeben, was sie so mühsam erlernt hatte.
Sie wandte sich zu Roger um und verlangte, daß er die Männer sofort entließe.
Roger war überrascht gewesen und hatte sie schnell aus dem Stall gedrängt. Er hatte versucht, sie zu bevormunden, doch Fiona war auf diesen Ton nicht eingegangen. Die Vorstellung, daß seine teure kleine Schwester ihm widersprach, hatte ihn gleichzeitig schockiert und verletzt. Nach seiner Auffassung hatte er sie soeben aus der Hölle befreit, und nun bewies sie Undankbarkeit, indem sie sich beklagte.
Zum erstenmal in ihren Leben erzählte Fiona ihrem Bruder die ganze Wahrheit über Edmund. Rogers Gesicht war: totenblaß geworden, er war gegen einen Sessel zurückgetaumelt und hatte ausgesehen, als hätte jemand ihn ins Gesicht
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