Fiona
geschlagen. Die ganzen Jahre über hatte er sich eingebildet, daß er seine teure kleine Schwester beschützt hätte; doch in Wahrheit hatte sie hier in der Hölle gelebt. Er hatte keine Ahnung gehabt, daß Edmund sie sofort aus dem Kloster holte, sobald Roger den Familiensitz verließ. ‘ Er hatte nicht gewußt, daß sie sich selbst gegen Edmunds Männer hatte verteidigen müssen.
Sobald Fiona mit ihrer Geschichte geendet hatte, war Roger bereit, die Männer im Stall zu töten.
Roger Chatworth’ Zorn durfte man nicht unterschätzen. Binnen drei Tagen hatte er seinen Haushalt das Fürchten gelehrt. Viele Männer waren entlassen worden, und wenn ein Mann es auch nur wagte, Fiona schief anzusehen, ging sie sofort zu Roger. Sie wollte sich solche Unverschämtheiten nicht mehr bieten lassen. Früher hatte sie nicht gewußt, wie eine Lady behandelt werden sollte, da sie ja nur Erfahrungen mit Edmund hatte; doch nun war sie fünf Monate an einem Ort gewesen, wo sie keine Angst haben mußte, allein im Garten spazierenzugehen.
Roger war zunächst erschrocken gewesen über ihre Forderungen; und da begriff sie, wie sehr sie und Brian immer Roger in Schutz genommen hatten. Roger konnte so gütig sein und gleichzeitig so grausam. Sie versuchte nur ein einziges Mal, mit ihm über die Montgomerys zu reden; doch Roger reagierte mit einem solchen Haßausbruch, daß sie um sein Leben bangte.
Da er sie seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, erkannte er sofort die Veränderung an ihrem Körper und dachte, sie habe zugenommen. Fiona hatte das Kinn in die Luft gehoben und ohne Reue festgestellt, daß sie Miles Montgomerys Kind unter dem Herzen trug.
Sie hatte Empörung erwartet - war auf seine Wut vorbereitet; doch der tiefe Schmerz in Rogers Augen warf sie aus dem Gleichgewicht.
»Geh. Laß mich allein«, hatte er geflüstert, und sie gehorchte.
Allein in ihrem Zimmer, hatte sich Fiona in den Schlaf geweint, wie sie das an jedem Abend tat, seit sie Miles verlassen hatte. Würde Miles begreifen, daß sie mit Roger gegangen war, um ihren Liebhaber zu retten? Oder würde Miles sie hassen? Was würden sie Kit sagen? Sie lag auf ihrem Bett und dachte an all diese Leute, die ihr in Schottland ans Herz gewachsen waren.
Es verlangte sie, eine Botschaft nach Schottland zu schicken; doch da war niemand in ihrer Nähe, dem sie einen Brief anzuvertrauen wagte. Aber gestern, als sie ihren Nachmittagsspaziergang machte, hatte ihr eine alte Frau, die sie noch nie gesehen hatte, einen Korb mit Brot angeboren. Sie hatte ihn zurückweisen wollen, bis die Frau das Tuch anhob und ihr eine MacArran Kokarde zeigte. Fiona hatte rasch den Korb genommen, und die Alte war gegangen, ehe Fiona sich bedanken konnte. Begierig hatte sie in dem Korb gewühlt.
Da war eine Botschaft von Alicia gewesen, in der sie ihr mitteilte, daß sie sehr wohl verstand, weshalb Fiona mit Roger nach England zurückgekehrt sei; nur Miles verstünde es nicht. Sir Guy war von drei Pfeilen getroffen worden, doch sie glaubten, er würde überleben. Als Miles ohne Aufsicht geblieben war, hatte er einen Wutanfall bekommen und alle Nähte aufgerissen. Als Morag ihn fand, hatte er Wundfieber, und drei Tage lang zweifelten sie, daß er überleben würde. Stephen war sogleich von Raines Lager der Verbannten zurückgekommen, als er von Miles’ Verletzung erfuhr. Er brachte die Neuigkeit mit, daß Raine den jungen Brian unter seine Fittiche genommen habe, und Stephen sei sehr zuversichtlich, daß es bald Frieden zwischen den beiden Familien geben würde. Alicia hatte am Ende den Satz hinzugefügt, daß Miles sich nur langsam erhole und sich weigere, Fionas Namen auszusprechen.
Als Fiona heute noch einmal an diesen Satz dachte, wurde ihre Haut kalt, so daß sie erschauerte.
»Du solltest dir einen Mantel umlegen«, sagte Roger hinter ihr.
»Nein«, murmelte sie, »mein Plaid reicht vollkommen. «
»Warum stolzierst du immer mit diesem Ding vor meinen Augen auf und ab? « explodierte Roger. »Genügt es nicht, daß du einen Montgomery in deinem Bauch trägst? Mußt du mir das auch jedesmal ins Gesicht schlagen, wenn ich dich sehe? «
»Roger, ich möchte, daß dieser Haß ein Ende hat. Ich will… «
»Du möchtest die Hure meines Feindes sein! « fauchte er.
Mit einem raschen zornigen Blick wandte sie sich von ihm weg.
Er faßte ihren Arm und sah sie mit weichen Augen an.
»Kannst du die Sache nicht von meiner Warte aus betrachten? Ich habe monatelang in der Hölle gelebt, als
Weitere Kostenlose Bücher