Firebird
mit dem Gefühl der eigenen Großartigkeit beschäftigt seien.
»Was wissen wir über ihn?«, fragte ich.
»Er hat ein paar Artikel geschrieben. In einem erwähnt er eine Sichtung bei Fischglas vor etwa tausend Jahren. Die Betreiber der Station haben angeblich eine unbekannte Sprache über Funk aufgefangen. Sie haben gesagt, die Stimme wäre menschlich gewesen, daran hätten sie keinen Zweifel, aber die Sprache hätten sie noch nie zuvor gehört.« Natürlich hatte niemand, der erst vor so kurzer Zeit gelebt hatte, je irgendeine unbekannte Sprache vernommen. Unbekannte Sprachen gab es schon seit langer Zeit nicht mehr.
»Das dürfte dann die Fischglas-Sichtung aus Winters Schriften sein«, sagte ich.
»Richtig. Lisle und Winter waren einige Jahre gemeinsam an der gleichen Fakultät der Universität Oxnam, damals, in den 1350ern. Damals haben sie sich angefreundet. Wenn es eine Verbindung zwischen Villanueva und den Sichtungen gibt, dann besteht auch eine große Chance, dass Winter sie Lisle gegenüber erwähnt hat.«
»Wo wohnt er?«
»Shen Chi. Das ist ungefähr hundert Klicks von Virginia Island entfernt.«
»Da, wo der Bär steppt.«
»Sieht ganz so aus.«
»Ruft er dich zurück?«
»Das hat er jedenfalls gesagt.«
»Willst du mich dabeihaben?«
»Ja.«
»Warum?«
»Falls er mit irgendetwas Vertraulichem nicht rausrücken will, ist es immer nützlich, jemanden zu haben, den man aus dem Zimmer schicken kann.«
Am Ende mussten wir ihn anrufen. »Tut mir leid« , sagte er. »Hab’s vergessen. Zu viel zu tun.«
David Lisle krümmte sich unter der Last der Jahre. Ich nahm an, dass er nicht mehr weit von seinem dritten Jahrhundert entfernt war. Sein Gesicht war runzlig, die Stimme eine Spur zu laut, und er trug einen zotteligen grauen Bart. Langsam und vorsichtig ließ er sich in einen großen Lehnsessel sinken. Sein trüber Blick streifte Alex, wanderte durch den Raum und blieb an mir hängen. »Wer ist die Frau?« , fragte er.
»Chase«, sagte Alex. »Das ist Professor Lisle. Professor, das ist Chase Kolpath. Sie ist meine Partnerin.«
Er studierte mich eingehend und schien darüber nachzudenken, ob er meine Anwesenheit tolerieren sollte. Irgendwann muss er dann wohl zu dem Schluss gekommen sein, dass ich keine Gefahr darstellte. »Sie sind außerordentlich hübsch, meine Liebe« , sagte er, und sein Blick ruhte weiter auf mir, als er sich an Alex wandte: »Hätte ich von Ms Kolpath gewusst, hätte ich es vorgezogen, Sie persönlich zu begrüßen.«
»Danke, Professor. Sie sind wirklich zu liebenswürdig.«
Er verzog die Lippen zu einem Lächeln, das jedoch in krampfhaftes Husten und Würgen mündete, so, als hätte er gerade mühsam etwas heruntergeschluckt.
»Alles in Ordnung?«, frage Alex.
Das ist diese seltsame Neigung, der wir alle unterliegen: Wir bitten jemanden, der um Atem ringt, mit uns zu sprechen. »Entschuldigung« , sagte er. »Ich habe ein paar Allergien, die sich jedes Jahr zu dieser Zeit bemerkbar machen.« Er atmete tief durch und räusperte sich. Dann: »Also, worüber hatten wir uns beim letzten Mal unterhalten, Joseph?«
» Alex , Professor. Mein Name ist Alex .«
»Ach ja, tut mir leid.« Er presste die Fingerspitzen an die Schläfen. »Ich fürchte, das Alter holt mich doch allmählich ein. Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wir hatten uns über ihren alten Freund, William Winter, unterhalten.«
»Oh, ja, Bill. Schwer zu fassen, dass das schon so lange her ist.«
»Sie vermissen ihn?«
»Ja, in der Tat, das tue ich. Es gab bei Gott keinen anderen wie ihn. Ist viel zu früh gestorben.«
»Wissen Sie, was ihm zugestoßen ist?«
»Nur, was berichtet wurde. Er ist zu irgendeiner Mission aufgebrochen, wenn auch nur Gott weiß, worum es dabei ging, und nie zurückgekommen. Er war mit Christopher Robin unterwegs.«
»Haben sie vielleicht nach etwas gesucht, das irgendwie mit den Sichtungen auf den Raumstationen in Verbindung steht?«
»Was?« Er hielt eine Hand hinter sein Ohr und forderte Alex so auf, lauter zu sprechen.
»Haben die beiden versucht, herauszufinden, was hinter den Sichtungen auf den Raumstationen gesteckt hat, Professor?«
Das löste ein langgezogenes Gelächter aus, an dessen Ende ein weiterer Krampf folgte. Er kämpfte sich hindurch, hob schließlich wieder die Hand, um uns zu signalisieren, dass alles in Ordnung sei, und uns um Geduld zu bitten. »Sichtungen? Lichter am Himmel? Ja, bestimmt, dem wäre er gern auf den Grund gegangen. Hätte zu
Weitere Kostenlose Bücher