Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
stürzen.
Meine Hände verkrampfen sich und ballen sich zu eisernen, blutleeren Fäusten. Vor lauter Panik bekomme ich keine Luft mehr. Tamra schüttelt ungläubig den Kopf, als wolle sie das ganze Geschehen nicht wahrhaben. Ihre Augen sind voller Entsetzen und blicken wild um sich. Endlich finde ich meinen Atem wieder und Luft strömt aus meinen Lippen – heißer, dicker Rauch.
Schlagartig prasseln alle möglichen Eindrücke auf mich ein: Tamras geschockter Blick, Xanders blasses Gesicht und seine Augen, die so schwarz sind wie die Nacht. Er beobachtet mich, sieht den Rauch, der aus meinem Mund dringt.
Doch mir ist alles gleich.
Vielleicht ist es dumm, doch ich kann es nicht ändern. Und das weiß auch Tamra. Sie stürzt mit ausgestreckten Händen auf mich zu, als könne sie die Katastrophe abwenden, wenn sie mich nur rechtzeitig erreicht und berührt. Als könne sie mich aufhalten.
»Jacinda, nein!«
Doch es ist schon passiert – noch bevor ich weiß, wie mir geschieht, rücken meine Gliedmaßen in ihre neue Position, lockern und strecken sich, bereiten sich auf den Flug vor. Höcker bauen sich auf meiner Nase auf, die sich bibbernd zusammenzieht. Die schmalen Ärmel meiner Bluse reißen und fallen lautlos zu Boden. Mit einem zischenden Geräusch breiten sich meine Flügel hinter meinem Rücken aus. Ich hebe mein Gesicht mit den nun kantigen Konturen, gehe in Position und breite die Arme aus. Tanzendes Feuer flackert über meine Haut, als ich abspringe und in die schwarze Nacht eintauche.
Dann lasse ich mich stetig tiefer fallen und gleite mit ausgebreiteten Flügeln durch die Dunkelheit auf Will zu.
Augenblicklich übernehmen meine Instinkte die Kontrolle und meine Sicht passt sich der Finsternis an.
Warme Luft streift mir über die nackte Haut, während ich durch die Nacht fliege und durch den Wind schwimme, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie dünn die Luft hier doch ist. Diese Luft, die so warm und trocken ist, dass sie wie in elektrischen Strömen um meinen Körper knistert.
Der saure und metallische Geschmack der Angst dringt mir in den Mund, doch ich fürchte nicht um mich selbst. Ich denke noch nicht einmal darüber nach, was genau ich eben getan habe – mein Kopf ist einzig und allein von einem Gedanken beherrscht, einem Namen: Will.
Über die Konsequenzen meiner Verwandlung direkt vor Xanders Nase mache ich mir später Sorgen. Aber nicht jetzt, noch nicht – später. Erst muss ich Will finden, und zwar lebend ! Dann werden wir gemeinsam einen Plan schmieden.
Unten angekommen setze ich auf dem Boden auf, doch ich kann Will nirgends entdecken. Weit oben, vom Gipfel des Big Rock, schallt Musik über den Himmel. Ich gleite wieder in die Luft. Langsam suche ich die Salbeisträucher und Kakteen entlang des Hangs ab, während meine Flügel die warme, trockene Luft um mich herum aufwühlen. Will muss ganz nah sein, anders als Cassian kann er kaum fortgeflogen sein. Ich werfe einen besorgten Blick über die Schulter – auch er muss in der Nähe sein, lauernd in der Luft schweben. Es wird ihm nicht gefallen, dass ich meine Tarnung vor aller Augen aufgegeben habe, vor allem, um einen Menschen zu retten – noch dazu einen Jungen, mit dem er mich beim Knutschen erwischt hat.
»Jacinda!«, höre ich plötzlich Will rufen.
Mit neuer Hoffnung drehe ich mich in die Richtung, aus der seine Stimme kommt. Und endlich finde ich Will. Er klammert sich an eine Wurzel, die aus dem Berg ragt. Es strengt ihn so sehr an, dass seine Armmuskeln bereits zucken und zittern. Sein halbes Gesicht ist blutüberströmt. Über seiner rechten Augenbraue prangt eine breite Platzwunde und das Blut tropft ihm ins Auge, das ganz zugeschwollen ist. Ob Cassian oder der Sturz daran schuld ist, lässt sich nicht sagen.
Sein unverletztes Auge weitet sich, als Will mich in meiner wahren Gestalt sieht. »Jacinda?«, zischt er – ist er etwa wütend? Auf mich? »Was zum Teufel machst du denn?«
Da fällt mein Blick auf das Blut, das ihm von den Augenbrauen tropft.
Purpurnes Blut.
Ein Schluchzen entfährt mir. »Du hast Drakiblut in dir!«, brülle ich, bevor mir einfällt, dass er meine grollende Sprache nicht verstehen kann. Ich wische ihm mit der Hand übers Gesicht, dann halte ich ihm meine rotgoldenen Finger, die in sein Blut getaucht sind, anklagend unter die Nase.
Will starrt auf meine Hand und stößt einen Fluch aus. »Jacinda, es tut mir leid! Ich wollte es dir schon längst erzählen!« In seiner Aufregung
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